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Kratzmarkieren: Warum Katzen an Möbeln kratzen

Katze zwischen Vorhang und Möbel

Das war’s mit dem schönen, neuen Sofa. Jetzt hängen wie zufällig Wolldecken über seinen Lehnen, an den Ecken stehen strategisch günstig Tischchen und Hocker. Die Sache ist die: Meine mitbewohnende Hauskatze hat sich am Sofa künstlerisch betätigt und es zum Kratzmarkieren benutzt. Katzenhalter wissen, was jetzt kommt… genau, an den Ecken haben die Katzenkrallen deutliche Spuren im Stoff hinterlassen. Trotz hinreichender Baumstämme und anderer Kratzmöglichkeiten in der Wohnung. 

Warum tun Katzen das? Das ist eine gute Frage. Besonders dann, wenn eigentlich genügend Alternativen vorhanden sind. In seiner im Juli 2024 veröffentlichten Studie   hat sich ein internationales Team aus fünf Wissenschaftlerinnen diese Frage ebenfalls gestellt und untersucht, wodurch das Markierverhalten von Katzen im Haushalt beeinflusst wird. Denn nichts anderes ist es. Mein Baum, mein Sofa – die Katze weiß nicht, dass ihr angemessen erscheinende Veränderungen durch Krallen am Baum ok, am Mobiliar jedoch unerwünscht sind. Für sie gibt es keinen Unterschied zwischen beiden. Für unsereiner schon.

Was also macht Möbel für die Katze so attraktiv, dass sie ihre Krallen hineinschlägt? Für die Studie wurde mit Hilfe einer Onlinebefragung das Verhalten von 1211 französischen Katzen auf mögliche Risikofaktoren für das Markieren von Möbeln hin untersucht. Und tatsächlich konnten Faktoren ausfindig gemacht werden, die das unerwünschte Verhalten fördern können. Aber zunächst einmal gilt es zu klären, worum es der Katze beim Kratzmarkieren und Krallenwetzen eigentlich geht.

Katze beim Kratzmarkieren auf dem Zaun
Kratzmarkieren und Krallenschärfen gehören zum Normalverhalten der Katze (Foto: Patricia Lösche)

Darum markieren Katzen ihre Umgebung

Das Markieren von wichtigen Eckpunkten eines Reviers gehört zum Normalverhalten der Katze. Es ist keine Verhaltensauffälligkeit, das seit ausdrücklich betont. Mit andern Worten: Es ist störendes, kein gestörtes Verhalten. Markiert wird mit Hilfe von Duftmarken, die besagen: My home, my castle. Dazu verwendet die Katze Urin und Eigengeruch, der durch Reiben von Gesicht und Körper oder eben durch intensives Kratzen auf Materialien hinterlassen wird. 

Beim Setzen von Urinmarken stellt sich die Katze mit dem Poppes vor eine senkrechte Fläche. Der Schwanz ist aufgerichtet und zittert, während etwas Urin verspritzt wird. Beim Kratzmarkieren richtet sich die Katze an geeigneten Stellen auf und wetzt dann die Krallen ihrer Vorderpfoten am Baumstamm oder was immer ihr geeignet erscheint. Draußen hat sie eine große Auswahl an Möglichkeiten, drinnen sind es alternativ Tischbeine, Sessel, Sofas. Und natürlich Kratzbäume oder Kratzbretter.

Weiße Katzenpfoten
Beim Kratzmarkeiren können Katzenkrallen ein Sofa sehr schnell in einen Fransenteppich verwandeln (Foto: Patricia Lösche)

Je länger sie sich beim Kratzmarkieren macht, desto höher sind die Marken angebracht und desto eher wissen möglicherweise vorbeikommende Artgenossen, was für ein Respekt einflößender Teufelskerl dort seine Spuren hinterlassen hat. Vielleicht ist deine Katze also einfach eine kleine Angeberin, und das Krallenwetzen bei ihr Imponierverhalten. Aber ganz so einfach ist es denn doch nicht. Während des Kratzens werden im Bereich der Ballen Duftstoffe freigesetzt, die wir nicht wahrnehmen. Aber das weiß die Katze nicht. Sie lebt in ihrer Nasenwelt, wir können da nicht mitriechen. Gleichzeitig hält das Kratzmarkieren die Krallen scharf – sehr zum Leidwesen des auserkorenen Möbelstücks.

So ärgerlich die scheinbare Zerstörungswut ist und selbst wenn die Katze dabei aussieht als würde sie sagen: Damit eines klar ist, das Ding hier gehört jetzt erst einmal allein mir – nimm es nicht persönlich und bleib möglichst gelassen. Auch wenn das nicht einfach ist, angesichts der Tatsache, dass das neue 2500-Euro-Sofa vor deinen Augen gerade Fransen bekommt. Strafen oder laut werden nützt nichts, beschädigt aber das Vertrauen der Katze zu dir. Nachhaltig, wenn du Pech hast. Am besten: Tief durchatmen, die Katze in Ruhe wegholen und dann als Sofortmaßnahme die fraglichen Stellen so verstellen oder überdecken, dass sie für die Katze unattraktiv werden. Dann geht es daran zu überlegen, was getan werden kann, damit die Katze nur ihre eigenen Möbel als markierwürdig empfindet.

Katze schläft auf einem Kratzbaum
Manchmal reicht es, der Katze für das Kratzmarkieren einen attraktiveren Kratzbaum aufzustellen oder den vorhandenen an einem attraktiveren Ort zu platzieren (Foto: marjoleiny/Pixabay)

Katzmarkieren: das sind die Risikofaktoren

Im Grunde genommen lassen sich alle in der Studie genannten Risikofaktoren auf einen Nenner bringen:  Sie sind haltungsbedingt. Nicht weil die Haltung an sich schlecht ist. Vielmehr wird die Form der Haltung der Persönlichkeit einer Katze oft nicht gerecht. Wer weiß schon vor der Anschaffung, welche Persönlichkeits-Wundertüte bei einem eingezogen ist. Katzen sind – wie alle Lebewesen – nicht nur Vertreter ihrer Art, sondern vor allem Individualisten. Dafür lieben wir sie schließlich. 

Die Untersuchung der französischen Katzen ergab folgende Risikofaktoren für das Kratzmarkieren an Möbeln:

  • Erhöhtes Aggressionsnivau bei der Katze
  • Ausgeprägter Spieltrieb
  • Hohes Aktivitätsniveau
  • Eine Spiel- und Beschäftigungszeit von weniger als 30 Minuten am Tag
  • Erhöhte nächtliche Aktivität
  • Lebhafte Kinder im Haushalt
  • ungünstig aufgestellter Kratzbaum
Gähnende rote Katze
Schlafmütze oder Powerpaket: Die Persönlichkeit einer Katze zeigt sich erst nach und nach
(Foto: andriish22/Pixabay)

Welche Persönlichkeit hat meine Katze

Für die Lösung des Problems gilt es also herauszufinden, ob vielleicht einer der herausgefilterten Risikofaktoren für das Kratzmarkieren von Möbeln auf deine Katze zutrifft. Das kann schwieriger sein, als es sich anhört und braucht oft sachkundige Beratung durch eine Katzenspezialistin. Danach geht es an eine kreative Lösungssuche. Könnte ein attraktiver(er) Kratzbaum an geeigneter(er) Stelle eine Alternative sein für die Katze? Oder Kratzbretter an der Wand? Vielleicht klappt es mit einem veränderten Standort für das Möbelstück oder die Möbel, falls sie an mehreren Gefallen findet. Bei neuen Möbeln könnte das vorübergehende Abdecken mit einem Schonbezug oder einer Decke schon die Lösung sein, bis sie Hausgeruch angenommen haben.

Mehr Beschäftigungsmöglichkeiten für Katze können ebenfalls eine Lösung sein. Katzen sehen zwar sehr dekorativ aus, wenn sie auf dem Sofa liegen.  Aber ein Leben als reine Couch-Potatoes und Dekoartikel ist zu langweilig für sie, vor allem für temperamentvolle oder junge Katzen. Katzen sind intelligente Hochleistungsjäger, die manchmal nicht wissen, wohin mit ihrer Power.  Dann wird gegebenenfalls das Mobiliar zum Sparringspartner beim Kratzmarkieren. Vielleicht gerade deswegen, weil es neu ist und erst einmal den Stallgeruch annehmen muss. Dazu will die Katze ihren Beitrag leisten. Aus ihrer Perspektive sieht die Welt schließlich ganz anders aus. Fremdgeruch verunsichert, Eigengeruch schafft Sicherheit. Und wer weiß, welche Gerüche die Katze am neuen Sofa wahrnimmt.

Mensch spielt mit schwarzer Katze
Gemeinsam spielen: Eine Spielzeit von mehr als 30 Minuten pro Tag kann helfen, die Leidenschaft der Katze für das Kratzen an Möbeln zu stoppen (Foto: Patricia Lösche)

Da du deine Katze sicher nicht mit lebendigen Mäusen unterhalten willst, müssen andere Lösungen her. Das könnten sein

  • ein attraktiver Catwalk
  • ein Laufrad
  • mehr Spiel- und Qualitätszeit mit der Katze
  • spielerisches Clickertraining
  • kleine „Denksportaufgaben“ 
  • Futtersuchspiele
  • eine gelegentlich hingelegte Papiertüte
  • ein Tunnel zum Reinkriechen 

Das sind nur eine kleine Auswahl an Möglichkeiten, das Leben auch für Wohnungskatzen aus der Langeweile und weg von Möbelecken und Tischbeinen zu führen. Das Fachwort dafür lautet „Enrichment“, was übersetzt „Bereicherung“ bedeutet und dem Kratzmarkieren ein Ende bereiten kann.

Nice to know:

Vor allem bei etwas älteren Katzen ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie eine schmerzhafte Osteoarthritis (Arthrose) entwickelt haben. Das trifft auf über 90 (!) Prozent aller Katzen zu, die älter als zwölf Jahre sind. Katzen zeigen es sehr selten durch Lahmheit oder Schmerzlaute an, sondern durch Verhaltensveränderungen. aber die Erkrankung kann hochgradig schmerzhaft sein und die Katzen in der Beweglichkeit stark einschränken. Sie können zum Beispiel schlechter klettern, springen oder Hindernisse überwinden. Das ist bei Enrichment-Maßnahmen zu bedenken.

Stress und Territorialverhalten

Neben einem Mangel an Herausforderungen kann zuviel Stress laut Studie ein weiterer Auslöser sein, ebenso ein ausgeprägtes Territorialverhalten. Das Territorialverhalten haben wir oben schon angesprochen. Vielleicht ist eine neue Artgenossin eingezogen? Dann müssen ältere Rechte geltend gemacht werden. Oder neue angemeldet. Klar, das Markieren der Möbel bietet sich da an. In einer Katzenwelt sind sie perfekte Pfosten für Duftmarkenschilder mit der Aufschrift „Privatbesitz – betreten verboten“.

Maine Coone Katze schaut grimmig
Not welcome: Neue Katzen in der Umgebung können ein Stressauslöser sein, der zum verstärken Kratzmarkieren von Möbeln führt (Foto: alektas/Pixabay)

Neue Katzen in der Nachbarschaft können Stress auslösen. Vielleicht haben sie – von uns unbemerkt – an der  Terrassentür ihre Duftmarken hinterlassen? Das wäre dann ein echter Aufreger für den Platzhirsch auf der Innenseite der Tür und er muss irgendwo Dampf ab- und Duft hinterlassen.  Sogar neue Gerüche, durch ein neues Waschmittel vielleicht, können eine Katze so verunsichern, dass sie ihre eigenen verstärkt dagegen setzt. Stress kann auch durch viel Kindertrubel, einen Umzug, Renovierung der Wohnung, Umstellen von Möbeln, neue Familienmitglieder und andere Umgebungsreize entstehen. Es gibt Katzen, die finden das spannend.  Andere würden am liebsten auswandern. Da wären wir dann wieder bei der Frage nach der Persönlichkeit.

Vielleicht ist der Auslöser jetzt schon identifiziert. Meist braucht es aber viel, manchmal sehr viel Spezialwissen zum Katzenverhalten, um den tatsächlichen Gründen auf die Spur zu kommen. Alle Katzenverhaltensberater und Katzenverhaltenstherapeuten im VdTT haben durch ihre intensive Ausbildung ein großes Expertenwissen. Sie kannst Du zu Rate ziehen – am besten, bevor sich Ecken und Flächen des Lieblingssofas unter den Krallen deiner Katze(n) in einen flauschigen, langflorigen Fadenteppich verwandeln. Denn leider ist das immer wieder ein Grund, warum Katzen im Tierheim abgegeben werden. Hier  kannst du herausfinden, wer sich in deiner Nähe befindet. 

Quelle

Yasemin Salgirli Demirbas et al.: Evaluating undesired scratching in domestic cats: a multifactorial approach to understand risk factors (Frontiers in Veterinary Science, Animal Behavior and Welfare, vol. 11/2024, 03 July 2024)

Titelfoto: Daga_Roszkowska/Pixabay

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