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Katzen: Feine Mimik statt Pokerface

Katzen mit blauen Augen

Katzen kommunizieren mimisch viel differenzierter mit ihren Artgenossen, als bisher angenommen. Und sie sind auch nicht so asozial, wie ihr Ruf als Einzelgänger vermuten lässt. Katzenpersönlichkeit, Sozialisierung, Lernerfahrungen und Situation entscheiden, ob eine Katze mit Artgenossen klarkommt oder nicht. Ganz wichtig ist dabei, wie gut sie sich ihnen mitteilen kann.

Längst ist bekannt: Hauskatzen sind nicht zwangsläufig Einzelgänger. Sie können sowohl alleine, als auch zusammen. Die eine so, die andere so und manche sowohl, als auch. Mit anderen Worten: Katzen sind soziale „Flexitarier“.

Gemeinschaft braucht Kommunikation. Das gilt auch für Hauskatzen, wenn das Zusammenleben funktionieren soll. Damit es nicht ständig zu Missverständnissen kommt, müssen sie sich so ausdrücken, dass sie vom Gegenüber auch verstanden werden können. Egal, ob von Artgenossen oder vom menschlichen Dosenöffner. Denn Missverständnisse sorgen in jeder Gemeinschaft früher oder später für Streitereien. Das wissen wir nur zu gut aus eigener Erfahrung. Spricht der eine Chinesisch, und der andere Spanisch, wird es schwierig.

Verständigung erfolgt durch eine Kombination aus stimmlichen, körpersprachlichen oder gesichtsmimischen Elementen. Der eine Kommunikationspartner sendet sie, die Empfängerin muss die Botschaft entschlüsseln. Je eindeutiger die Botschaft, desto besser wird sie verstanden. Erwachsene Katzen drücken sich Artgenossen gegenüber vor allem über Körpersprache und Gesichtsmimik aus. Ihr Miau ist hauptsächlich der Kommunikation mit dem Menschen vorbehalten.

Katzen sind oft sehr sozial
Längst ist bekannt, dass Katzen nicht zwangsläufig Einzelgänger sind (©: Patricia Lösche)

Kommunikation unter Katzen ist wenig erforscht

Wie sich Hunde untereinander verständigen wurde vielfach untersucht. Bei der Katze konzentrierte sich die Forschung bisher vor allem auf die Kommunikation zwischen Katze und Mensch und aus medizinischen Gründen auf ihr Schmerzgesicht. Bis auf mimische Elemente im Aggressionsverhalten war über die Rolle des Gesichtsausdrucks in der innerartlichen Verständigung bislang wenig bekannt. Die beiden Wissenschaftlerinnen Lauren Scott und Brittany N. Florkiewicz wollten es genauer wissen. Sie untersuchten erstmals, ob und in welchem Umfang Mimik auch in der freundlichen Verständigung untereinander eine Rolle spielt. 

Die Frage war, ob es einen klar erkennbaren mimischen Unterschied gibt zwischen wohlgesonnen und aggressiv und wie differenziert er ist. Die Wissenschaftlerinnen gingen von der Annahme aus, dass sich freundliche und feindliche Mimik aus einer variablen Kombination von Muskelbewegungen ergeben und sich dadurch deutlich erkennbar voneinander unterscheiden lassen müssten. Ziel ihrer Arbeit war eine erste Katalogisierung innerartlicher Mimik bei der Katze.

Hauskatzen haben eine vielfältige Mimik

Elf Monate lang beobachteten und dokumentierten sie 53 erwachsene Katzen eines Katzencafés in Los Angeles. Ihre Arbeit begann, wenn sich abends die Türen des Katzencafés für Besucher schlossen und die Vierbeiner unter sich waren. Mittels Videoaufzeichnungen überwachten sie deren Verhalten und werteten ihr Material anschließend akribisch aus. 

Es gibt viele Vorurteile was das Ausdrucksverhalten von Katzen angeht. Man kann ihnen nicht trauen, sie sind tückisch, man kann ihnen nicht ansehen, was sie vorhaben und was sie wollen – Pokerfaces eben. Ansichten, die noch immer weit verbreitet sind, sogar unter Katzenhaltern. Unsere Samtpfoten haben ihren Ruf als kommunikatorische Analphabeten nicht verdient, wie sich zeigte. 

Der Studie zufolge können sie auf 276 der Form nach deutlich unterscheidbare Mimiken zurückgreifen und sie zu freundlichen oder weniger freundlichen Gesichtsausdrücken kombinieren. Davon sind 83 Prozent ausschließlich für den sozialen Kontext reserviert, also für die Kommunikation untereinander. Schimpansen verfügen den Autorinnen zufolge auch nur über 357 unterscheidbare Mimiken.

Katzen im Profil
Prosoziales Verhalten unter Hauskatzen ist vermutlich der Domestikation zu verdanken
(©Briam-Cute/Pixabay)

Hauskatzen sind sozialer und freundlicher als ihre Urahnen

Warum sind diese Ergebnisse erstaunlich? Prosoziales Verhalten gegenüber Artgenossen ist für die Falbkatze (Felis lybica lybica), Stammform unserer Hauskatzen, nicht wichtig. Sie ist eine revierbildende Einzelgängerin, die ihren Artgenossen entweder aus dem Weg geht, ihnen gegenüber ihr Revier verteidigt oder mit ihnen gelegentlich Sex hat.

„Unsere Hauskatze ist die einzige Kleinkatze, die sich auch in Freiheit in sozialen Gruppen zusammenschließt. Diese sind Matriarchate (Anm.: Das sind Zusammenschlüsse unter weiblicher Führung). Sie haben nur oberflächliche Gemeinsamkeiten mit den Sozialverbänden von Löwe oder Schimpanse. Es gibt keinen Hinweis auf innerartliches Sozialverhalten dieser Art bei der wilden Vorfahrin unserer Hauskatzen“, schreibt der britische Verhaltensforscher und Katzenexperte John W.S. Bradshaw 2016 in einer wissenschaftlichen Arbeit zum Sozialverhalten der Hauskatze. Woher kommen also freundliche Sozialkompetenz und Kommunikationsfähigkeit unserer Hauskatzen Artgenossen gegenüber, wenn sie ursprünglich nicht nötig waren? 

Streit kostet Energie und unter Raubtieren ist er oft lebensgefährlich. Wer in Gemeinschaften das Risiko vermeiden und mit seinesgleichen auskommen will oder muss, braucht so etwas wie eine kommunikative Friedensfahne. Ein Ausdrucksrepertoire, das dem Gegenüber nicht nur klar die eigene Friedfertigkeit signalisiert, sondern auch die genauen Absichten. Tiere, die zahlreich in menschlicher Nähe lebten und darin begabter waren, als andere, haben sich mittel- und langfristig besser und erfolgreicher fortpflanzen können. Damit gaben sie ihre Gene häufiger an die Nachfahren weiter. Oder wie Charles Darwin, auf den die Evolutionstheorie zurückgeht, es ausdrückte: Survival of the fittest. Heißt: Wer sich besser an die Umstände anpassen kann, überlebt (länger). Katzen, die ihresgleichen gegenüber auch freundlich konnten, hatten in der Nähe des Menschen einen evolutionären Vorteil.

Mimik und Situation: Perfect match

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Gesichtsbewegungen der Katze mit unterschiedlichen sozialen Situationen korrespondieren. Es ist zu vermuten, dass dies durch die Domestikation beeinflusst wurde“, schreiben Lauren Scott und Brittany N. Florkiewicz in ihrer Studie. Jeder Ausdruck kombiniere im Schnitt vier von 26 unterscheidbaren Gesichtsbewegungen, heißt es dort weiter. Dazu zählen: 

  • Geöffnete Lippen
  • KIeferbewegungen
  • erweiterte oder verengte Pupillen
  • Variationen der Maulwinkel
  • Zwinkern
  • Nasenlecken
  • nach vorn oder hinten gerichtete Vibrissen
  • unterschiedliche Stellungen der Ohren

Die jeweilige Bedeutung sei abhängig von der Kombination, in der sie gezeigt werden. 

Die beiden Autorinnen konnten nachweisen, dass die Mehrheit der mimischen Ausdrücke entweder ausdrücklich freundlich (45%) oder ausdrücklich aggressiv (37%) war. Nur die verbleibenden 18 Prozent waren mehrdeutig. Also nix Pokerface.

Zwei Katzen auf dem Zaun
Zur Konfliktvermeidung braucht Verständigung unter Artgenossen eine klare Sprache (©Julia Keller/Pixabay)

Katzenmimik ist mehrheitlich freundlich

Auch wenn ein 1:1-Vergleich mit Wildkatzen nicht möglich war: Die Vorfahren vererbten unseren Hauskatzen zwar ihr Verteidigungsverhalten. Aber, so Florkiewicz, ihre „domestizierten Nachfahren haben möglicherweise angefangen, freundliche Gesichtsausdrücke zu entwickeln, als sie sich an den Tisch des Menschen begaben.“ Freundlichkeit gegenüber Mitkatzen mitsamt der dafür notwendigen Gesichtsmimik ist also mit großer Wahrscheinlich das Ergebnis der Domestikation. 

Was sie sich mit welchem Gesichtsausdruck genau mitteilen, bleibt allerdings vorerst weiterhin ihr Geheimnis. Aber ein Anfang ist gemacht. Ein paar Tipps konnten die Autorinnen der Arbeit jedoch geben. 

  • Bei freundlichem Sozialverhalten waren Ohren und Vibrissen nach vorn gerichtet.
  • Bei aggressiver Interaktion waren Ohren und Vibrissen nach hinten gerichtet.
  • Enge Pupillen und Lippenlecken waren verbunden mit agonistischem Verhalten.

Katzen lesen zu können braucht viel Fachwissen. Brauchst du eine solche Übersetzerin für deine Katze, weil es Probleme gibt oder du sie einfach besser verstehen möchtest? Bei uns wirst Du fündig.

Quellen (open access)
Lauren Scott, Brittany N. Florkiewicz: Feline faces: Unraveling the social function of domestic cat facial signals; Behavioural Processes, Nov. 2023, vol. 13 https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0376635723001419

John W.S.Bradshaw: Sociality in cats: A comparative review; Journal of Veterinary Behavior, Volume 11, Jan-Feb 2015, 113-124 https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1558787815001549

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