Zum Hauptinhalt springen

Katzenkinder richtig entwöhnen

Katzenmutter mit zwei Katzenkindern

Im frühen Leben von Katzenkindern gibt es Zeitfenster, die seinen weiteren Weg bestimmen. Besonders prägend sind die Sozialisierungsphase und der Zeitpunkt des Abschieds von Mutter und Wurfgeschwistern, das Absetzen. Erfolgt der Umzug in ein neues Zuhause zu früh, kann dies erhebliche Folgen für die körperliche Entwicklung, das Sozialverhalten und die emotionale Stabilität des Jungtieres haben. Zudem steigt das Risiko für gesundheitliche Probleme und Verhaltensauffälligkeiten, die das gesamte Katzenleben begleiten können.

Für die Reifung eines Kitten sind die ersten Lebensmonate von zentraler Bedeutung und der Zeitpunkt des Umzugs in ein neues Zuhause spielt dafür eine wichtige Rolle. Mit der beginnenden Entwöhnung ab etwa der 4. Lebenswoche, wenn sich das Kitten an feste Nahrung gewöhnt, kommt Bewegung ins Familienleben: Muttertier und Nachwuchs lösen sich allmählich voneinander. Dieser Schritt fördert die Selbstständigkeit und bereitet Katzen auf das spätere Leben im neuen Zuhause vor. Die Bindung zur Mutter bleibt dabei unverzichtbar. Ein emotionaler Anker, der Stress abpuffert und Sicherheit vermittelt. In dieser Zeit werden die Grundlagen für die Entfaltung sozialer Kompetenzen gelegt. Durch Interaktionen im artspezifischen Familienverband beginnen Kitten, erste soziale Signale wie Spiel- und Drohgesten zu deuten, Grenzen zu erkennen und einfache Konfliktsituationen spielerisch zu lösen. 

Katzenkinder: Ausreichend lange mütterliche Fürsorge und geschwisterliche Nähe sind der perfekte Start in ein gutes Katzenleben(Foto: Peggy_Marco/Pixabay)

Bedeutung der Kinderstube für Katzenkinder

Von der 2. bis zur 9. Lebenswoche, der sogenannten sensiblen Phase, ist der Nachwuchs besonders empfänglich für Umweltreize und soziale Erfahrungen. Neugieriges Erkunden spannender Geräuschquellen, spielerisches Jagen flackernder Schatten und Lichtreflexe:  Jede neue Begegnung wird zu einem sinnlichen Abenteuer und prägt die Lern- und Entwicklungsprozesse nachhaltig. Die Katzenmutter begleitet die Katzenbabys durch diese Flut an Eindrücken. 

Durch die Interaktion mit Artgenossen entwickeln die Kitten angemessenes, differenziertes Sozialverhalten. Das Spielverhalten zeigt zunehmende Differenzierung und Komplexität. Dem Spiel mit Wurfgeschwistern kommt dabei zentrale Bedeutung zu. Es stabilisiert soziale Fertigkeiten wie Kommunikation, Kooperation und das Respektieren von Grenzen. Es ermöglicht das Erproben angepasster, sozial funktionaler Verhaltensstrategien und lehrt den kontrollierten Einsatz von Krallen und Gebiss (sog. bite/claw inhibition). Im Fokus steht der sichere Umgang mit den Signalen anderer Tiere, das Training von Sozialverhalten sowie die Entwicklung von Konfliktlösungsstrategien. Unterstützt werden die Katzenwelpen dabei durch die fortlaufende Erziehung des Muttertieres.

Absetzen von Kitten: Woche 12 ist noch zu früh

Es mag auf den ersten Blick so erscheinen, als zeigten Kitten mit Ende der sensiblen Phase bzw. in den wenigen darauffolgenden Lebenswochen ein scheinbar gefestigtes Sozialverhalten und seien damit „bereit für die Welt“. Doch dieser Eindruck täuscht. Zwar verlangsamt sich die zuvor besonders hohe Sensitivität für bestimmte Reize deutlich, doch jetzt erst beginnt die entscheidende Phase innere Reifung – feiner, tiefer und komplexer als je zuvor. 

In der der 13. und 14. Lebenswoche rundet sich die Katzenpersönlichkeit. Damit ist der Grundstein gelegt für eine harmonische Integration in ein künftiges menschliches Zuhause oder einen eventuellen Mehrtierhaushalt. Der Ausbildungsschwerpunkt liegt nun auf Impulskontrolle, Frustrations- und Stresstoleranz, Festigung der Fähigkeit, Grenzen anderer zu erkennen und zu respektieren, sowie der Anwendung Konflikt regulierender Strategien. Diese Fähigkeiten sind nicht angeboren, sondern werden durch wiederholte soziale Übung gefestigt – und zwar am besten dort, wo Rückmeldungen zuverlässig erfolgen: im vertrauten Verband von Mutter und Wurfgeschwistern.

Katzemutter rauft mit ihrem Kitten
Kitten lernen korrektes Sozialverhalten unter Artgenossen, mal spielerisch, mal streng von Mutter und Wurfgeschwistern (Foto: WFranz/Pixabay)

Was die Forschung eindeutig zeigt

Die moderne Verhaltensforschung widerspricht dem überwiegend praktizierten Standard der Abgabe eines Katzenkindes zum Ende der 12. Lebenswoche immer deutlicher. Denn neuere Untersuchungen zeigen Gründe auf, die für eine längere Verweildauer im familiären Verband sprechen. 

So konnten Studien, u.a. die von Van Lent et al. (2021), nachweisen, dass ein längeres Säugen positive Effekte auf Gesundheit und Wohlbefinden von Kitten hat. Es stärkt das Immunsystem, erleichtert Ernährungsumstellungen, senkt langfristig das Risiko für Übergewicht und stabilisiert Verhalten sowie die Stressverarbeitung. Die Forschenden wiesen weiter darauf hin, dass entsprechender Prozess nicht zwangsläufig nach wenigen Wochen endet. In stabilen Mutter-Kitten-Beziehungen kann er 3 bis 5 Monate, zum Teil sogar bis zu einem Jahr andauern – meist intermittierend (= phasenweise).

Eine spätere Abgabe geht jedoch nicht nur mit einer verbesserten Gesundheit einher. Sie ist auch mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit von Verhaltensauffälligkeiten verbunden. So zeigt eine Untersuchung von Ahola et al. (5.726 Hauskatzen aus 40 Rassen) einen alarmierenden Zusammenhang zwischen einer zu frühen Trennung vom Familienverband und einem erhöhten Risiko für unerwünschte Reaktionen auf. Eine vorzeitige Entwöhnung vor der 8. Lebenswoche korrelierte signifikant mit aggressionsbedingten Reaktionen – vor allem gegenüber Fremden. Tiere, die im Alter von 12 Wochen abgegeben wurden, zeigten zwar geringere, jedoch weiterhin erhöhte Aggressionsneigungen.

Im Vergleich dazu waren bei Tieren, die ihr natürliches familiäres Sozialgefüge erst nach der 14. Lebenswoche verließen, wesentlich weniger aggressive Ausbrüche zu beobachten. In letztgenannter Gruppe traten außerdem deutlich seltener stereotype Verhaltensweisen (z. B. exzessives Putzen) auf als bei Katzen, die mit 12 Wochen von der familiären Gemeinschaft getrennt wurden.

Auf Grundlage dieser Ergebnisse empfiehlt die Universität Helsinki klar, die Abgabe eines Katzenkindes frühestens mit 14 Wochen vorzunehmen, um dessen soziale und emotionale Stabilität sicherzustellen. Entsprechende Empfehlung wird in gegenwärtigen Fach- und Onlinequellen durch empirische Befunde zunehmend gestützt.

So erkennt man das Alter eines Kätzchens

Es ist nicht einfach, das Alter eines Katzenkindes einzuschätzen. Gewicht und Größe sind rasse- und geschlechtsspezifisch sehr verschieden. Zuverlässigere Orientierung bieten Verhalten, Motorik, Zahnstatus und die soziale Entwicklung. Gesicht und Körper verlieren allmählich die Babyproportionen, die Gesichtszüge gewinnen an Kontur, die Augen erscheinen im Verhältnis zum Kopf nicht mehr so groß, die Körperspannung ist stabil, die Bewegungen präzise, geschmeidig und sicher. Sprünge und Koordination gelingen zuverlässig, und ein differenziertes, wechselseitiges soziales Spiel ist erkennbar. Bei Unsicherheit über das tatsächliche Alter eines Katzenkindes ist es ratsam, eine tierärztliche Einschätzung einzuholen.

Die Folgen einer zu frühen Trennung – für Kätzchen und Menschen

Die Risiken sind nicht theoretisch. Sie sind alltägliche Realität in Tierarztpraxen, Verhaltenstherapien und überlasteten Haushalten:

Gesundheitsrisiken

  • Verzögerte Entwicklung, Wachstumsdefizite
  • Stressbedingte Erkrankungen mit langfristigen Auswirkungen auf Organe und Stoffwechsel (z.B. Verdauungsprobleme, dermatologische Auffälligkeiten)
  • Schwaches Immunsystem, erhöhte Infektanfälligkeit
  • Neigung zu Unter- oder Übergewicht
  • Höhere Verletzungsgefahr durch unkontrolliertes Spiel oder Aggression

Soziale und emotionale Folgen

  • Soziale Defizite: Interaktionsschwierigkeiten mit Sozialpartnern, Schwierigkeiten beim Vertrauensaufbau
  • Emotionale Stabilität: Unsicherheit, erhöhte Schreckhaftigkeit, erhöhte Stressanfälligkeit (z. B. verstärkte Vokalisation, Hyperaktivität)
  • Selbstregulation: Geringe Frustrationstoleranz, fehlende Impulskontrolle
  • Kognitive Verarbeitung: Erschwerte Verarbeitung neuer Reize, schlechtere AnpassungsfähigkeitAufmerksamkeit und Exploration: Geringere Aufmerksamkeitsspanne, Konzentrationsschwierigkeiten

Problemverhalten, Verhaltensstörungen

  • Stereotype bzw. selbststimulierende Verhaltensweisen (z.B. exzessives Putzen, Nuckeln an Textilien, Kratzen)
  • Unsauberkeit
  • Angst-, Meideverhalten
  • Aggressionsverhalten
Katzenmutter mit Welpen im Stroh
Diese Kitten sind auf jeden Fall noch zu jung für eine Abgabe (Foto:WFranz/Pixabay)

Fazit

Die wissenschaftliche Datenlage ist eindeutig: Nach der 14. Lebenswoche kann von einem sozial stabilen Wurf ausgegangen werden. Erst in diesem Alter ist ein Katzenkind wirklich bereit, sein eigenes Leben zu beginnen.

Was bedeutet das für Züchter, Tierschutzorganisationen, Tierpsychologen und Katzenverhaltensberater – und für die künftigen Halter? Zwei zusätzliche Wochen im Familienverband mögen kurz erscheinen, doch ihre Bedeutung für das Wohl des Jungtieres – und letztendlich auch für die zukünftigen Adoptanten – ist immens. Kein Mensch, kein Artgenosse, keine noch so liebevolle Betreuung kann die Lernprozesse, die ausschließlich im natürlichen Sozialgefüge eines Wurfes entstehen, ersetzen.

Natürlich können auch früher abgesetzte Welpen ein glückliches Katzenleben führen, bei Fund-Kitten und mutterlosen Katzenwepen ist die Option „spätes Absetzen“ nicht gegeben. Aber die Wahrscheinlichkeit für Gesundheits- und Verhaltensprobleme steigt, je früher sie auf Mutter und Wurfgeschwister verzichten müssen. Was eine Katze in den ersten 14 Wochen im vertrauten Sozialverband lernt, lässt sich später kaum oder gar nicht vollständig nachholen, oft nur schwer kompensieren. Wo dieses Bewusstsein fehlt, ist Aufklärungsarbeit entscheidend.

Künftige Halter sollten über die Vorteile einer späteren Abgabe informiert und für Bedeutung und Vorteile eines längeren Verbleibs im vertrauten Umfeld sensibilisiert werden. Die zusätzliche Zeit sollte nicht als Einschränkung verstanden werden, sondern als verantwortungsvolle Entscheidung für das Wohl des Kätzchens – eines Lebewesens, das auf unsere Fürsorge angewiesen ist. Züchter, Tierheime und Fachleute tragen eine entsprechende Verantwortung. Auch Empfehlungen und Praxisrichtlinien hinsichtlich eines Mindestabgabealters sollten angepasst werden.

An künftige Katzenbesitzer der dringende Rat: Wer eine Katze in zu jungem Alter angeboten bekommt, sollte konsequent Nein sagen. Denn jedes „Ja“ zu einem zu frühen Angebot erhält ein System aufrecht, das dem Wohl des Tieres widerspricht. Und nur wenn die Nachfrage ausbleibt, kann sich auch das Angebot nachhaltig verändern.

Quellenauswahl (open access)

Ahola, M. K., Vapalahti, K., & Lohi, H. (2017). Early weaning increases aggression and stereotypic behaviour in cats. Scientific Reports, 7(1), 10412. 

Van Lent, D., Vernooij, J. C. M., Stolting, M. M., & Corbee, R. J. (2021). Kittens that nurse 7 weeks or longer are less likely to become overweight adult catsAnimals, 11(12), 3434.

Autorin

Imke Arracher

VdTT-Katzensymposium

  • 12.10.2025 via ZOOM Webinare

Kostenloser Expertenrat für dich und deine Katze

Sie suchen einen Experten?

Unsere Mitglieder sind für Sie da.