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Hundekot: (K)eine Gefahr in Feld und Flur?

In den Lokalzeitungen liest man immer wieder aufflammende Debatten über das Für und Wider einer Anleinpflicht für Hunde und einer strikten Einhaltung der Wege in den Gemarkungen der deutschen Bundesländer. Dies führt immer wieder zu Anfeindungen von Landwirten gegenüber Hundehaltern.

Der Regionalbauernverband  Wetterau-Frankfurt z.B. behauptet, es gehe eine akute Gefahr für Rinder von einem Erreger namens Neospora caninum aus, der von Hunden auf Rinder übertragen werden könne, wenn diese mit Hundekot verunreinigtes Futter aufnähmen. Dies lässt immer wieder Landwirte die Auffassung vertreten, Hunde dürfen nicht unangeleint über die Felder laufen und schon gar nicht ihren Hundekot auf diesen hinterlassen.

Da bei der Informationsübermittlung in Zeitungen oder der Argumentation draußen auf dem Feld die wichtigsten Fakten meist fehlen oder falsch dargestellt werden und dies zu Verbreitung negativer Stimmung gegen Hunde führt, sollen diese nun einmal aufgeführt werden, was der objektiven Aufklärung von Hundehaltern dient!

Was ist Neosporose?

Unter Neosporose versteht man eine Krankheit bei Rindern, insbesondere bei Milchkühen und deren Kälbern, die zu Fehl- und Totgeburten führt. Ursache kann ein einzelliger Erreger namens Neospora caninum (Apicomplexa: Eimeriina: Sarcocystidae) sein, der Enzephalomyelitis und/oder Myositis verursachen kann. Die Gewebe im Zentralnervensystem (ZNS), im Herz, in der Skelettmuskulatur und in der Leber sind dabei zerstört oder entzündet. Dieser protozoäre Parasit besitzt ein breites Wirtsspektrum, unter anderem den Hund als Endwirt. Der natürliche Infektionsweg für Rinder und andere Tiere ist der diaplazentare. Bei Rindern beschränkt sich die Symptomatik auf das Auftreten von Aborten, Totgeburten ab dem 3. Trächtigkeitsmonat (110. bis 260. Tag nach Besamung)  und die Geburt lebensschwacher Kälber. So sind in Kalifornien, Schottland, Großbritannien und den Niederlanden ca. 15-19 % der Aborte bei Kühen auf Neosporose-Infektionen zurückzuführen.

Differentialdiagnostisch sind beim Rind N. caninum Sarcocystis-Infektionen auszuschließen, die in Deutschland allerdings sehr selten sind, genau wie der Nachweis ihrer Parasitenstadien.

Aber man muss bedenken, dass die meisten infizierten Kälber überleben und sogar klinisch unauffällig sind. Antikörper gegen den einzelligen Erreger (die eine akute oder frühere Infektion belegen) werden bei gesunden Kühen häufig nachgewiesen. In Australien findet man sie in bis zu 20 % der Kühe, in Deutschland oft bei 5 % der Tiere. Dies bedeutet aber nicht unbedingt, dass der Parasit auch noch anwesend ist! Nicht einmal erwiesen ist, dass Hunde, die serologisch positiv sind, auch Erreger ausscheiden. Sie könnten auch nur selbst Träger des Parasiten sein und somit Antikörper produzieren.

Genauso fehlt der endgültige Beweis dafür, dass aufgefundene Parasiten die tatsächliche oder alleinige Ursache für einen Abort bei Mutterkühen sind. Der wissenschaftliche Beweis, dass Neospora für sich alleine Aborte auslöst, wurde bisher nicht erbracht. Die Landwirtschaftskammer Westfalen-Lippe (Autoren Dr. S. Schmidt, Dr. Zioleck, Dr. S. Grundlach) hat allein 17 Gründe für Rinderaborte aufgelistet, die auf andere Infektionen zurückgehen. Weitere existieren sicher auf Grund genetischer Zuchtfaktoren oder Stoffwechselerkrankungen. Diese anderen möglichen Ursachen werden bei Untersuchungen an abortierten Föten nicht oder nicht vollständig ausgeschlossen. Es ist bei der Sachlage der geringgradigen Vermehrung von Neospora in gesunden Tieren offenkundig, dass sich Neospora als “Trittbrettfahrer“ in kranken Föten ausbreitet. Dies wird auch dadurch belegt, dass z.B. in Australien bei Herden mit 20%iger Durchseuchung mit Neospora zum Teil überhaupt keine Aborte auftraten. Zudem führt das Ausscheiden des Erregers von Hunden und die Aufnahme bei gesunden Tieren (Rind, Ziege, Maus, Ratte, Hund) zu keinerlei Krankheitssymptomen. Diese treten nur auf, wenn die Tiere experimentell vor der Infektion mit Cortison etc. vorbehandelt werden und das Immunsystem geschwächt wird.

Als Überträger fungieren mehrere natürliche Zwischenwirte. Dies sind eine Reihe von Pflanzenfressern, vorrangig Rinder, Büffel, Schafe, Ziegen, Pferde aber auch Füchse und Mäuse. Weitere Übertragungen des Erregers in freier Wildbahn finden von Cerviden (Hirsche: Europäische Rehe, Damhirsche, Rothirsche usw.) auf Caniden (Hundeartige) statt, wie eine amerikanische Studie über die Ansteckungsmöglichkeiten von domestizierten Caniden beweist1. Somit können Jäger, die erlegte Wildtiere im Wald aufbrechen, ebenfalls zu einer Verbreitung von Neospora beitragen. Für Jagdhunde gilt daher ein besonderes Ansteckungsrisiko.

Haushunde können sich durch die Verfütterung von infiziertem, rohem Fleisch, insbesondere von Nachgeburt anstecken. Womit der hauptsächliche Überträger des Erregers des Bauern eigener Hofhund bzw. Nachbarhund ist, der ähnliche Möglichkeiten zum Betreten des Hofes oder umliegender Felder besitzt. Außenstehende (fremde) Hunde, z.B. Stadthunde, sind in aller Regel von diesem Infektionsgeschehen ausgeschlossen, da sie mit Trocken- und Dosenfutter ernährt werden.

Was können Bauern tun, um einer Infektion vorzubeugen?

Die Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere rät, das Fressen der Nachgeburten von anderen Rindern oder der eigenen Hofhunde durch hygienische Entsorgung zu verhindern, das Futter weitgehend frei von Nagern zu halten und eine Kontamination des Futters mit Hundekot zu vermeiden, wobei aber seine eigenen Hofhunde gemeint sind und nicht „Fiffi“ irgendwo in der Gemarkung, der Zeit seines Lebens mit Markenfertigfutter verwöhnt wurde! Der Erregereinschleppung beim Zukauf von infizierten weiblichen Rindern, die eine Infektion auf ihre Nachkommen „weiter vererben“ können, soll durch eine Untersuchung vorgebeugt werden. Dies trifft auch für infizierte Trägertiere beim Embryotransfer zu, da oft Tiere Träger des Erregers sind, aber keine Symptome zeigen (Bayrisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit).

In der Veröffentlichung einer Untersuchung2 wird darauf hingewiesen, dass die in den Betrieben gehaltenen Hunde grundsätzlich serologisch untersucht werden können, aber die Untersuchungsergebnisse keine Aufschlüsse zur Bewertung des Infektionsgeschehens beim Rind lieferten, weil nicht alle infizierten Hunde Antikörper bilden und weil bei einem positiven serologischen Befund unklar bleibt, ob sich der Hund beim Rind angesteckt hat oder umgekehrt.

Fazit

Die Bedeutung der Epidemiologie der Pathognese, und der potenziellen Endwirte (Hirsche, Schafe, Hunde usw.) für die gehäuften Rinderaborte durch N. caninum kann zurzeit nicht abgeschätzt werden, und der erst vor kurzem als Endwirt identifizierte Hund spielt bei der Übertragung von Neosporose – wenn überhaupt – eine untergeordnete Rolle. Die Übertragung der für gesunde Tiere ungefährlichen Neospora-Stadien erfolgt somit im Wesentlichen von der Kuh aufs Kalb. Zu einer Verteufelung von Spaziergängerhunden besteht somit absolut keine Veranlassung und eine Anleinpflicht ist im Augenblick völlig haltlos!

Die in einigen Presseberichten hervorgehobene Zunahme von N. caninum-verursachten Aborten aufgrund von Übertragungen durch Hunde ist völlig widersinnig, da diese heute viel seltener mit rohem Fleisch gefüttert werden als früher. Falls dennoch die Zunahme richtig wäre, würde dies die Unschuld des Hundes beweisen!

Quellen

1L. F. Gondim, M.M.McAllister, N.E.Mateus- Pinilla, W.C.Pitt, L.D.Mech und M.E.Nelson (2004):
Transmission of Neospora caninum between wild and domestic animals
J. Parasitol. 90, 1361-1365

2F.J. Conraths, G. Schares (2005):
Diagnostik und Epidemiologie Neospora caninum-assoziierter Aborte beim Rind Tierarztl. Prax. (G) 27, S.145-153, 1999

(BSch)

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