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Immer in Bewegung und Pflege

Leben ist Bewegung. Vom Atom bis zum Menschen ist das Dasein mit Bewegung verknüpft und sei es nur in Form intrazellulärer Bewegung. Das Pferd gehört zu den Lebewesen, bei denen diese Verknüpfung besonders ausgeprägt ist. Anders als etwa Hund und Katze,

Leben ist Bewegung. Vom Atom bis zum Menschen ist das Dasein mit Bewegung verknüpft und sei es nur in Form intrazellulärer Bewegung. Das Pferd gehört zu den Lebewesen, bei denen diese Verknüpfung besonders ausgeprägt ist. Anders als etwa Hund und Katze, die viele Stunden des Tages „verschlafen“, ist das Pferd als Fluchttier spezialisiert auf reaktionsschnellen Antritt, schnellen, ausdauernden und wendigen Lauf sowie fast ganztägigen Fortgang. Dementsprechend ist der Bewegungstrieb tief in seinem Wesen verankert. Das zeigt sich unter anderem darin, dass Fohlen schon ein paar Stunden nach ihrer Geburt perfekte Bewegungswesen sind. Anders als beispielsweise das Kalb, das wenige Male am Tag große Mengen von der Mutter trinkt, nimmt das Fohlen zudem rund 50 Mal am Tag nur kleine Mengen Stutenmilch auf, um auf die notwendige Menge von 10 bis 20 Liter zu kommen – die Mutter ist schließlich immer in Bewegung, da ist keine Zeit für lange Trinkpausen. Außerdem würde ein großer Euter, das ist leicht nachzuvollziehen, ein Bewegungstier behindern.

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Auffällig und auf jeder Pferdeweide zu beobachten ist weiterhin, dass beim Pferd der Bewegungstrieb genetisch mit dem Fresstrieb verbunden ist. Fressen und gehen, fressen und gehen – diese Kombination ist das typische Bild einer Pferdeherde.

Wie groß die Wanderungen und täglichen Laufstrecken des Urpferdes waren, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Einige Wissenschaftler aber gehen davon aus, dass in der Vorzeit Pferde den Zugvögeln vergleichbare Wanderungen in Winter- und Sommergebiete unternahmen.
Das ist natürlich im heutigen zivilisierten Europa undenkbar. Selbst hier aber können wir auf größeren Weiden beobachten, wie Pferde Stunde um Stunde mit gesenktem Kopf fressen und dabei weiterziehen. 16 Stunden am Tag sind Weidenpferde mindestens in Bewegung, rund 8 Kilometer legen sie dabei mindestens zurück.
Im krassen Widerspruch zu diesen genetischen Vorgaben steht, dass tatsächlich die Pferde in vielen Reitställen immer noch 23 Stunden täglich in Boxen gehalten werden und nur eine Stunde am Tag – unter dem Reiter oder der Reiterin – fremdbestimmte Bewegungsmöglichkeiten erhalten. Selbst dort, wo wenigstens im Sommer stundenweise Weidengang und im Winter Paddockauslauf angeboten wird, sind die Bewegungsmöglichkeiten meist geringer als für das Wohlbefinden eines Pferdes notwendig. Häufig sind die Flächen nur „handtuchgroß“, so dass Pferde ihren Bewegungstrieb nicht wirklich ausleben können.

Zu den bedeutendsten Erkenntnissen der modernen Medizin gehört die von Sigmund Freud gemachte Entdeckung, dass die Unterdrückung naturgegebener Triebtätigkeit zu Erkrankungen neurotischer Art verbunden mit körperlichen und seelischen Störungen führen kann, schrieb der Veterinär Wilhelm Blendinger 1971 in seinem Klassiker „Psychologie und Verhaltensweisen bei Pferden“.

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Darin legte er auch dar, dass für das Pferd die Einschränkung des Bewegungstriebes genau diese Wirkung hat. Es ergibt sich von selbst, dass ein Lebewesen um so mehr unter Beengung und Zwang leidet, je beweglicher es ist und je ausgeprägter sein Bewegungstrieb ist. Bewegungsmangel kann unter anderem zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Elastizitätsverlust von Sehnen und Bändern und Verhaltensstörungen führen. Artgerechte Haltung darf deshalb den Aspekt der Bewegung nicht aussparen.

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Herausgeputzt – wie Pferde ihre Haut pflegen

Nichts gegen den Einsatz von Striegel und Kardätsche – er sorgt für Kontakt zwischen Pferd und Mensch und wird von den meisten Pferden durchaus als angenehm empfunden. Das Putzen fördert die Durchblutung der Pferdehaut und regt die Funktion der Lymphgefäße an. Sofern also Striegel und Kardätsche nicht übertrieben, sondern eher zurückhaltend eingesetzt werden, da anderenfalls der natürliche Fettfilm der Haut zerstört werden könnte, hat das Putzen durchaus nicht nur optisch und mit menschlichen Augen betrachtet positive Seiten. Allerdings, auch noch so eifriges Putzen kann die Befriedigung des Hautpflegetriebes durch das Pferd selbst nicht ersetzen, denn es ist ganz anderer Art als die menschliche Methode.

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Es gibt wohl keinen Pferdehalter, der nicht schon häufiger erleben durfte, wie sein gerade geputztes Pferd zielstrebig zu einer sandigen Stelle auf der Weide läuft, um sich ausgiebig zu wälzen und damit dem Pferdehalter das Gefühl vermittelt, seine Putzaktion sei vollkommen umsonst gewesen. Klugen Zeitgenossen wird in so einem Fall wieder einmal klar, dass der Mensch viel zu häufig meint, er könne es besser machen als die Natur. Viel wichtiger als der menschliche Putzeinsatz ist es, dem Pferd die Möglichkeit zu geben, auf seine Art die Haut zu pflegen. Pflegenswert ist die Pferdehaut dabei allemal, denn ihr vor allem verdankt das Pferd seine Anpassungsfähigkeit.

Es ist im Wesentlichen auf die Hautaktivität des Pferdes zurückzuführen, dass es sowohl unter extrem heißen als auch unter extrem kalten klimatischen Bedingungen existieren kann. So kommen die Pferde der Beduinen seit Jahrtausenden mit der Hitze der Wüste zurecht und andererseits begleiteten zahlreiche Pferde Polarforscher auf ihren Expeditionen. Möglich macht dies ein komplizierter Wärmehaushalt, der ganz wesentlich von der starken Durchblutung der Haut und dem Haarkleid getragen wird.

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Damit in Zusammenhang steht, dass das Pferd im Vergleich zu anderen Tieren ein außerordentlich schweißaktives Lebewesen ist. Beim Pferd ist jede Anstrengung auch geringen Grades mit einer gewissen Flüssigkeitsabsonderung durch die Haut verbunden, die auch zur einer Entlastung der Nierentätigkeit beiträgt. Die Schweißbildung ist im Übrigen für das menschliche Auge durchaus nicht immer sichtbar. So kommt es, dass ein Reiter zum Beispiel mit einem vermeintlich trockenen Pferd von einem Ausritt zurückkommt und beim Absatteln eine nasse Sattellage freilegt, weil an dieser Stelle die Satteldecke während des Rittes die Verdunstung behinderte.

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Ein kompliziertes System wie dieses bedarf der Pflege bzw. der steten Anregung. Wichtiger Baustein der Hautpflege durch das Pferd selbst ist sein auffallend starker Drang, sich zu wälzen. Pferde, die die Möglichkeit dazu haben, suchen dieses Drang, der besonders stark nach Schwitzen zu sein scheint, täglich zu befriedigen – und das, obwohl das Wälzen mit einem enormen Kraftaufwand verbunden ist. Vor allem das Überschlagen beim Wälzen scheint bei keiner anderen Tierart vergleichbarer Größe so häufig vorzukommen. Am intensivsten werden beim Wälzen offenbar der Hals, die Mähnenpartie und die Widerristgegend bearbeitet. Mit Vorliebe wählen Pferde staubige Stellen zum Wälzen aus.

Der Staub wird anschließend durch Schütteln des Körpers wieder abgeworfen. Es geht bei der Hautpflege des Pferdes nicht darum, sauber zu werden, sondern darum, Hautreize zu vermitteln und so den Stoffwechsel, den Kreislauf und das Hautnervensystem anzuregen. In diesem Sinne wirkt auch das Wetter mit seinem Wechselspiel von Wind, Regen und Sonne.

All diese natürlichen Reize machen die Pferdehaut widerstandsfähiger. Hinzu kommt die so genannte soziale Hautpflege, die Freunden vorbehalten ist und ein geradezu liebevolles an Massage erinnerndes gegenseitiges Beknabbern darstellt. Viel freie Bewegung an frischer Luft im Herdenverband stellt damit die beste Hautpflege dar.

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