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Leben mit einer alten Katze – ein Erlebnisbericht

Die letzten Artikel rund um den alten Hund, die alte Katze und das alte Pferd haben bei unseren Lesern großen Anklang gefunden.
Zur Abrundung unserer kleinen Trilogie möchten wir eine Kollegin zu Wort kommen lassen:

Lea wurde im August 1994 mit vier weiteren Geschwistern geboren und kam zusammen mit ihrem Bruder Mikesch im Oktober zu uns. Mikesch war der Dominante, drängte sich stets vor, forderte meine Aufmerksamkeit und meine Zuwendung förmlich ein. Lea begnügte sich mit der „2. Geige“, behauptete sich aber in der Regel erfolgreich gegen ihn trotz ihrer um einiges geringeren Körpergröße. Ja, sie provozierte häufig regelrecht, wenn sie z.B. vor der Katzenklappe zu dem Raum mit dem Katzenklo saß, darauf wartete, dass er herauskam, ihn zunächst einfach nicht hindurch ließ und ihn schließlich rücklings überfiel und in den „Schwitzkasten“ nahm! Das wurde natürlich übel gerächt, sodass wir das eine oder andere Mal ein „Machtwort“ sprechen mussten, um die zwei auseinander zu treiben. Dennoch waren sie oft ein Herz und eine Seele und schliefen in der Regel zusammengekuschelt in irgendeinem Sessel.

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2011 mussten wir Mikesch im Alter von 17 Jahren aufgrund seiner Krebserkrankung schweren Herzens einschläfern lassen; seit dieser Zeit ist Lea allein und hiervon soll mein Bericht handeln:

Die ersten beiden Jahre waren besonders schwierig. Den Schock über Mikeschs Tod haben wir alle – Mensch und Tier – sehr schwer verkraftet. Besser wurde es erst, als ich Kontakt zu einer Tierheilpraktikerin und Tierhomöopathin aufnahm und diese mittels einer umfangreichen Anamnese ein Konstitutionsmittel für Lea bestimmte.

Nachdem Lea allein war, veränderte sie sich. Früher stand sie zwar im Schatten ihres dominanten Bruders (sie war die kleinste aus dem Wurf, schlank, fast ganz schwarz mit weißem Bäffchen und vier weißen Pfötchen), aber sie war eine fröhliche kleine Katze, und jetzt wurde sie melancholischer, ruhiger (was nicht allein auf das Alter zurück zu führen war) – eine Zeitlang war sie, glaube ich, regelrecht depressiv.
Auch meinen eigenen Gemütszustand könnte ich so beschreiben; da ich keine Kinder habe, fühlte es sich an, als hätte ich einen Sohn verloren.
Zudem stellte ich bei Lea eine zunehmende Schwerhörigkeit fest. Mittlerweile ist sie fast taub, was leider zu einer unglaublichen Lautstärke ihrerseits geführt hat, die manchmal schwer zu ertragen ist. Allerdings hat das schlechte Hören auch ein paar gute Seiten: der Staubsauger ist überhaupt kein Problem mehr! Ich kann mit dem Rüssel des Saugers vor ihrem Schlafplatz hin und herfahren – sie thront auf ihrem Kissen und schaut zu!

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Besser wurde es erst, als ich Kontakt zur einer Tierheilpraktikerin (die mir viele dem Alter geschuldete Verhaltensweisen erst aufzeigte) und schließlich zu einer Tierhomöopathin aufnahm, die mittels einer umfangreichen Anamnese ein Konstitutionsmittel für Lea bestimmte. Seither ging es Lea besser, ihr psychischer Zustand stabilisierte sich.

Mittlerweile ist Lea fast 23 Jahre alt, und das zunehmende Alter bringt es mit sich, dass das Zusammenleben mit ihr oft richtiggehend anstrengend geworden ist, weil ihre „Gepflogenheiten“ zeitaufwändig sind und vor allem das nächtliche durchdringende Geschrei eine große nervliche Belastung sein kann.

Eigentlich geht es ihr für ihr Alter noch erstaunlich gut. Seit einigen Jahren hat sie ein Nierenproblem, bekommt jeden Morgen Semintra. Arthrose in den Vorderläufen macht sich bemerkbar und sie bekommt leider leicht Zahnstein, sodass sie in den letzten beiden Jahren zweimal narkotisiert bzw. sediert werden musste, um die Zähne zu sanieren bzw. Anfang des Jahres den Zahnstein zu entfernen. Dennoch fehlen ihr bisher nur 4 Backenzähne und sie frisst mehr oder weniger gut.

Womit wir gleich beim Thema sind:
Immer wieder gibt es Tage, in denen sie plötzlich schlecht frisst. Entweder werden nur die Extra-Fleischstückchen aus dem Futter herausgepickt (ich koche seit Jahren zusätzlich Huhn und füge kleine Stücke unter das Nassfutter), oder sie lässt die Hälfte stehen, jammert herum, als ob dieser Rest schlecht sei, oder probiert gar nicht erst. Eine Geruchsprobe zeigt in der Regel, dass alles tadellos in Ordnung ist.
Also stelle ich es wieder hin, rede ihr gut zu – manchmal mit, manchmal ohne Erfolg. Aber mit den Worten der Tierärztin im Nacken: „Sie sollte nicht abnehmen“ (sie wiegt nur etwas mehr als 3 kg), habe ich in der Vergangenheit oft nach einer Weile aufgegeben und eine neue Dose aufgemacht – und siehe da, auf einmal wird mit Heißhunger gegessen. Grrrrrrr.

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Seltsamerweise haben meine liebe Nachbarin, die Lea „einhütet“, wenn wir im Urlaub sind, oder auch mein Mann, dieses Problem fast gar nicht. Fast jedes Mal höre ich: „Lea hat richtig gut gefressen, ich werfe fast nie was weg“.

Das kann nur bedeuten, dass diese kleine Katze mich gnadenlos um den kleinen Finger wickelt, weil sie meine Sorge um sie spürt. Aber ich entwickle mich ja auch weiter (Co-Evolution nannte man das im Studium) und habe einen Trick entwickelt, mit welchem ich sie überliste:
An sich soll sie möglichst wenig Trockenfutter wegen des Nierenproblems bekommen, aber diese „Brekkies“ voller Geschmacksverstärker sind nun mal der Renner und gehen immer. Deshalb nehme ich in solchen Fällen manchmal den Nussknacker und 1–3 Stück Trockenfutter (natürlich schon das teure vom Tierarzt für Nierenpatienten!), zerbrösele es über der verschmähten Mahlzeit – und siehe da, das abgelehnte Futter schmeckt auf einmal doch. Allerdings bemerkt sie den Trick manchmal, weil es nämlich nur oberflächlich nach „Brekkies“ schmeckt und sich darunter das alte Futter befindet. Dann sitzt sie kurze Zeit später wieder vor der noch halbvollen Schale und schaut mich an. Und ich? Zerknacke den nächsten „Brekkie“ über dem Futter.

Das kann sich über eine Weile hinziehen, bis schließlich alles aufgegessen ist. Mein Mann amüsiert sich oft über mich – was soll ich dazu sagen? Natürlich versuche ich jedes Mal, wenn ich wieder auf der Bildfläche erscheine und selbst das Futter verabreiche, die Konsequenz meiner Ersatz-Betreuer beizubehalten. Gelingt auch meist eine Weile … dann fällt es ihr allerdings wieder ein.

Und dann denke ich manchmal, dass es ist doch eigentlich egal ist, womit sie mich beschäftigt oder ich mich mit ihr: Sie ist jetzt so alt, schläft ohnehin fast nur noch, und Fresszeiten sind die Highlights des Tages – da kann es dann ruhig in so ein kleines Spielchen ausarten, ich freue mich einfach, dass ich sie noch habe und sie offensichtlich noch ein bisschen Spaß hat.
Aber es gibt auch Tage, da ist sie nicht gut drauf, frisst kaum, auch wenn ich etwas anderes anbiete und das macht mich manchmal richtig wütend, weil ich unbedingt möchte, dass sie bei Kräften bleib. Es ist natürlich mein Wunsch, sie noch lange zu behalten, aber auch sie hat vielleicht irgendwann einfach genug und das Recht, sich immer mehr zurückzuziehen?

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Ein anderes zeitaufwändiges Thema ist mittlerweile die Bewegung. Während sie früher (vor allem mit ihrem Bruder) bei jeder Gelegenheit hinaus wollte, ist sie jetzt kaum noch allein unterwegs, was mir aufgrund ihrer Schwerhörigkeit einerseits natürlich ganz recht ist. Außerdem ist ihr Radius klein geworden, in der Regel bleibt sie im Garten.
Dann wünschte ich oft, sie ginge zumindest täglich allein in ihr kleines Revier dort, aber das ist manchmal recht mühsam. Wenn ich z.B. in meinem Zimmer am PC sitze und eigentlich an diesem Artikel schreiben möchte, steht Lea plötzlich hinter mir und bedeutet mir, dass sie hinaus möchte. Ich öffne die Tür in den Garten und denke: „Dann geh mal eine Weile an die frische Luft“, sie aber bleibt unschlüssig stehen, schnuppert in die Luft – und kommt wieder rein.
Also unterbreche ich meine Arbeit und gehe mit ihr in den Garten, was jetzt in der schönen Jahreszeit natürlich Spaß macht.

Eine Herausforderung aber ist das Spazierengehen im Herbst und Winter bei früher Dunkelheit, Regen, manchmal Schnee. Dann bleibt sie lieber im Warmen, aber ich möchte, dass sie sich bewegt, sowohl für ihre Verdauung als auch für die Gelenke. Also warm anziehen, ihr bedeuten, dass wir uns auf den Weg machen und viel „Überredungskünste“ (in Form von Gesten und geduldigem Warten, da sie ja fast nichts mehr hört), um sie zum Mitlaufen zu bewegen. Nach einigem Zögern kommt sie mit – meistens. Wenn nicht, nehme ich sie auf den Arm und setze sie vor die Tür, wo sie manchmal noch eine Weile vor sich hin „schimpft“, aber schließlich aufgibt: „Na gut, wenn‘s sein muss …“

In dieser Jahreszeit führt unser Weg meist nicht mehr in den (jetzt dunklen) Garten hinunter, sondern die Vorgärten unserer mit zwei Straßenlaternen bestückten Anliegerstraße entlang. Dazu müssen wir ein Stück um das unbeleuchtete Haus herum, was mich immer wieder zum Lächeln bringt: Da Lea fast ganz schwarz ist, ist sie ohne Mondlicht auf dem Rasen kaum zu erkennen; ich brauche ein paar Sekunden um meine Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen, dann taucht sie wie ein Schatten, der von ihren vier weißen Pfoten bewegt wird, neben mir auf. Bleibe ich stehen, verharren die Pfoten, gehe ich weiter, schieben sie sich voran. Schnell wird noch ein kleines Loch im Gartenbeet für das Geschäftchen gebuddelt, dann geht es weiter. Es berührt mich immer wieder aufs Neue, wie sehr sie mir in ihrer stillen Welt vertraut. Um mich in sie hineinzuversetzen, habe ich mir auf einem dieser Spaziergänge einmal die Ohren zugehalten und versucht, mir vorzustellen, wie es nachts in einer lautlosen Welt sein muss: Man kann Gefahren nur versuchen, sie zu sehen, aber man kann sie nicht hören. Auch ihr Sehen ist sicherlich schon eingeschränkt, sodass ich umso mehr verstehe, dass sie Ausflüge nur noch ungern allein unternimmt. Aber sie braucht die Bewegung, schon wegen der Arthrose in ihren zunehmend krummen Vorderbeinchen. Wenn sie gut drauf ist, gelingt ihr zwar ganz gelegentlich nochmal ein kurzer drolliger Hoppelgalopp im Garten, ein Springen aber versucht sie zu vermeiden, und wenn sie auf meinem Arm ist, setze ich sie nur noch ganz unten auf dem Boden ab.

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Das schwierigste Kapitel unseres Zusammenlebens ist zweifellos das nächtliche Schreien geworden. Nahezu jede Nacht weckt sie uns mindestens einmal mit einem durchdringenden Geheul, sodass ich hellwach bin. Anfänglich bin ich nie aufgestanden, um nicht die falsche „Konditionierung“ zu erreichen, aber mittlerweile glaube ich, dass sie wahrscheinlich teilweise verwirrt ist und einfach nach Kontakt ruft. Also stehe ich auf, nehme sie auf den Arm und beruhige sie eine Weile. Oft ist es dann gut und ich kann zumindest bis 6 oder 6:30 Uhr weiterschlafen. Kommen solche nächtlichen Unterbrechungen öfter vor, bin ich morgens wie gerädert und ihr gegenüber gereizt. Das tut mir dann unendlich leid, weil sie mich natürlich nicht ärgern will, aber Schlafentzug kann ein schwerwiegendes Problem werden. Glücklicherweise hält diese Stimmung bei mir nicht lange an, weil sie noch immer so eine niedliche Persönlichkeit ist und ich sie natürlich einfach liebe.

Sehr viele Jahre waren Lea und Mikesch sehr pflegeleicht. Sie vergnügten sich draußen und miteinander, waren nachts im Haus und absolut ruhig; sie waren unserem Lebensrhythmus angepasst und liefen im Haushalt mit. Jetzt ist es eher umgekehrt: Lea bestimmt, wann – zumindest ich – aufstehe, bedarf ständiger Sorge um genügend Futter, die rechtzeitige Gabe von Medikamenten, mindestens zweitägliches Bürsten, genügend Bewegung …
Wenn ich etwas in diesen letzten Jahren gelernt habe, dann ist es unendliche Geduld: Jede Nacht mindestens einmal aufstehen, ständig kleine Mengen frisches Futter anbieten, damit sie ja etwas frisst. Großzügiger sein, wenn sie z.B. beim Essen auf meinem Schoß sitzen will, was früher nicht erlaubt war, und Gelassenheit gegenüber ihren Marotten zu haben.
Ich habe den Eindruck, dass sie trotz ihrer Altersgebrechen noch Lebensqualität verspürt und hoffe sehr, dass sie eines Tages selbst entscheidet, wann sie gehen möchte und wir nicht „helfen“ müssen.

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Astrid Hornig-Kühnel
Tierpsychologin Katze (ATN)

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