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Ontogenese, die individuelle psychische Entwicklung von Hunden

Ontogenese, die individuelle psychische Entwicklung von Hunden

Verhalten entwickelt sich innerhalb des genetischen und ökologischen Rahmens einer Tierart. Die Dynamik innerhalb dieses Rahmens ist während der Jugendentwicklung am größten; dies gilt auch für den Haushund. Diese Dynamik ist mit erheblichen Veränderungen verbunden und stellt im Falle des Haushundes sowohl Bezugspersonen als auch Hundeverhaltensberater vor besondere Herausforderungen. Diese Herausforderungen können nur dann mit nachhaltigem Erfolg gemeistert werden, wenn die Grundlagen der Verhaltensentwicklung bekannt und verstanden sind. Während der Jugendentwicklung des Hundes kann sich die Beziehung zu seinen Bezugspersonen dramatisch verändern.


Verhaltensveränderungen während der Jugendentwicklung sind einer der Risikofaktoren für die Abgabe des Tieres. Besonders betroffen davon sind Rüden größerer Rassen und in steigender Zahl auch Vertreter der Hütehundrassen. Während in vielen Hundeschulen Welpentraining weitestgehend über positive Verstärkung angeboten und praktiziert wird, wandelt sich das Bild, wenn die Hunde in die Junghundegruppen kommen. Viel zu schnell erfolgt der Wechsel zu Trainingstechniken, die zu direkten Konfrontationen zwischen Hund und Mensch führen; durch die dadurch entstehenden sozialen Konflikte können sich Ängste, scheinbare Hyperaktivität und gesteigerte Aggressivität entwickeln, die dann auf das Konto der „Sturm-und-Drang-Zeit“ geschoben werden.

Diese Probleme können verhindert werden, legt man beim Umgang und Training generell die Kenntnisse über die Jugendentwicklung von Säugetieren im Allgemeinen und die des Haushundes in seinem speziellen Umfeld zugrunde. „Rückschritte“ im Verhalten eines Hundes nach der Welpenzeit haben oft nichts mit dem Scheitern der Erziehung über positive Verstärkung zu tun,sondern sie spiegeln innere Veränderungen wider. Ein Wechsel der Trainingstechniken ändert nichts an diesen Veränderungen. Ein Wechsel der Trainingstechniken suggeriert den Bezugspersonen aber, ihr Hund sei besonders renitent, dominant und akzeptiere nicht ihren Führungsanspruch. Die Wahrnehmung des Verhaltens des Hundes durch seine Menschen wird dadurch verändert und immer mehr ins Negative verschoben. Dies alles könnte verhindert werden, wäre die Sicht auf das Hundeverhalten nicht so egozentrisch auf den Menschen bezogen, nicht so pseudo-wissenschaftlich durch die vielen unzureichend gebildeten „Kynologen“, sondern mehr zu den wissenschaftlich erarbeiteten Fakten hin orientiert. Diese Themen nehmen einen sehr wichtigen Platz in der Ausbildung zum Hundeverhaltensberater und in der Hundeverhaltenstherapie ein.

Für die meisten hundehaltenden Menschen, Züchter und TrainerInnen liegt der Schwerpunkt des Interesses in der Entwicklung des Welpen, also einem besonderen Abschnitt der Jugendentwicklung. Ganz wie im Bereich der Psychologie ging man lange Zeit von folgender Voraussetzung aus:

Die frühen Entwicklungsabschnitte sind von entscheidender Bedeutung für die Funktionsweise des Gehirns und damit für die Verhaltensentwicklung. Spätere Entwicklungsstadien dagegen haben nur einen geringen Einfluss. Diese Prämisse hat sich als falsch erwiesen. Umfangreiche Untersuchungen an Menschen und anderen Säugetieren decken die Bedeutung der gesamten Jugendentwicklung auf. Es ist nicht ausreichend, auf die Steuerung der Verhaltensentwicklung während der Welpenzeit zu achten – auch die Zeit vom Erreichen der Geschlechtsreife bis zum erwachsenen Tier bedarf einer sorgfältigen Betreuung.

Hundebesitzer kommen nicht als unbeschriebenes Blatt in die Hundeschule. Sie kommen mit ihren Vorstellungen, ihren Erfahrungen und ihren Wünschen. Oft sind diese geprägt von den gerade in den Medien verfügbaren und stark beworbenen Informationen. Die Auswahl dieser Informationen orientiert sich nur in den seltensten Fällen an dem Wohlergehen von Hund und Mensch! Mit den Besitzern junger Hunde haben Trainerinnen und Trainer die große Chance, individuellen Hund-Mensch- Beziehungen eine harmonische Richtung für das ganze gemeinsame Leben zu geben. Diese Chance ist zugleich ein Risiko, denn Fehler während der Jugendentwicklung des Hundes können die Hund-Mensch-Beziehung lebenslang belasten. Trainerinnen und Trainer haben in der Arbeit mit jungen Hunden die große Aufgabe, Kompetenzen zu vermitteln, die für ein Gelingen der Hund-Mensch- Beziehung essenziell sind.

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