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Feuerwerksangst bei Hunden: Schmerzhafte Erfahrung

Für die Hälfte aller Hunde ist die Zeit um Silvester verbunden mit Angst und Schrecken. Das ergab eine Studie der Biologin Stefanie Riemer von der HundeUni Bern. Das Feuerwerk trifft die Vierbeiner jedes Jahr unerwartet. Zusätzlich zur psychischen Belastung kann der mit dem Feuerwerk verbundene Schreck Hunden mit bestimmten Grunderkrankungen aber auch physische Schmerzen bereiten. Ihnen fährt der Schrecken buchstäblich in die Glieder. Die Folge: Die Silvesterangst verstärkt sich.

Hunde hören hohe Töne besser als wir

Wenn Tiere etwas abwählen könnten, dann wäre es Silvester. Was für viele Menschen unverzichtbarer Inbegriff der Vorfreude auf ein neues Jahr ist, ist für viele Hunde die Hölle, Manche brauchen Tage oder gar Wochen, um sich davon zu erholen. Je größer die Angst vor der Silvester-Knallerei, desto ausgeprägter die angstbedingte Symptomatik. Dazu gehören:

  • Starkes Hecheln
  • Verstärkte Atmung
  • Zittern
  • Verstecken
  • Unruhe
  • Fluchtversuche
  • Zerstörungswut
  • Selbstverletzung
  • Beißen
  • Zittern
  • Futterverweigerung
  • Durchfall
  • Anhaltendes hochfrequentes Bellen

Während Menschen Töne zwischen 20 (sehr tief) und 20000 (sehr hoch) Hz (Schwingungen pro Sekunde) wahrnehmen können, liegt der Bereich bei Hunden zwischen 15 und 50000 Hz. Feuerwerk mit seinen Heulern und Pfeifern hat sehr hohe Frequenzen und ist deshalb für Hunde wesentlich unangenehmer als für uns. Während Hunde mit Schlappohren oder sehr dichtem Fell an den Ohren wenigstens einen minimalen Schutz haben, sind glatte, stehende Hundeohren wie etwa die des Pharaonenhundes dem Feuerwerkslärm ungeschützt ausgeliefert.

Kranke Hunde sind geräuschempfindlicher

Silvesterböllerei ist also für gesunde Tiere schon belastend genug. Doppelt schlimm trifft es diejenigen unter ihnen, die unter Erkrankungen des Bewegungsapparates leiden. Jeder Schreck, unter dem sie zusammenfahren, löst Muskelanspannungen aus. Eine natürliche Reaktion, zusammen mit der Erhöhung des Blutdrucks und einem Anstieg der Herzfrequenz fachsprachlich als „fight-or-flight-Reaktion“ bezeichnet. Damit mobilisiert der Körper seine Kräfte für eine eventuell nötige spontane Flucht oder Verteidigung. Für einen intakten Bewegungsapparat ist das eine normale  Belastungssituation, für einen erkrankten ein Problem.

Hunde mit Hüftgelenks- und Ellenbogendysplasie, Skoliose, Gelenkserkrankungen, aber auch mit Bandscheibenvorfall oder Muskelentzündungen und -verletzungen, frischen Operationswunden, Knochenbrüchen, Prellungen oder Kiefererkrankungen leiden schon unter normalen Umständen unter Schmerzen, und ihre Muskulatur ist ohnehin deswegen verspannt. Oft ist das der eigentlich wahrgenommene Schmerz. Fährt dem Hund bei dem Geknalle der Schreck in die Knochen, steigt Muskeltonus spontan weiter und verstärkt dadurch den Schmerz.

Silvesterangst bei Hunden
Silvesterangst bei Hunden: Hunde mit enger Bindung an ihre Besitzer suchen dort gern Schutz und Rückhalt.

Geräuschangst des Hundes kann sich selbst verstärken

Der Zusammenhang zwischen Geräuschempfindlichkeit und Schmerz ist nachgewiesen.Das Fatale ist: Jeder neue Schreck, der durch ein Geräusch ausgelöst wird, kann die Geräuschangst verstärken. Eine klassische Konditionierung. Leidet beispielsweise ein Hund unter einer schmerzhaften Wirbelsäulenerkrankung und erschrickt sich bei einem Silvesterknaller, dann folgt auf die schreckbedingte erhöhte Muskelspannung ein Schmerzimpuls. Für den Hund stehen akuter Schmerz und lautes Geräusch künftig in einem Wirkzusammenhang, und jeder neue Schreck wirkt als anonyme Bestrafung. Für den Hund ist nicht die Anspannung durch den Schreck Auslöser des Schmerzimpulses, sondern der Knall. Jeder Knall festigt und verstärkt die Geräuschangst, die sich in der Folge zu einer generalisierten Angst vor lauten Geräuschen auswachsen kann, wenn der ausgelöste Schmerz entsprechend stark ist.

Schmerzbedingte Geräuschempfindlichkeit bei älteren Hunden

Eine an der Universität Lincoln durchgeführte Studie untersuchte diesen Zusammenhang zwischen Geräuschempfindlichkeit und Schmerz. Mit dem Ergebnis, dass Geräuschempfindlichkeit ein Hinweis sein kann auf unerkannte Schmerzzustände. Insbesondere dann, wenn ältere Hunde zunehmend geräuschempfindlicher werden. Etwa ab dem vierten Lebensjahr erhöht sich statistisch gesehen die Wahrscheinlichkeit für einen solchen  Zusammenhang. Individuell kann das natürlich auch früher auftreten, je nach Vorerkrankung. Eine in der Persönlichkeit des Hundes begründete erhöhte Sensitivität gegenüber Geräuschen zeigt sich dagegen im Allgemeinen schon beim jungen Hund. Diese psychisch bedingte Empfindsamkeit ist zudem weniger variabel in ihrer gezeigten Symptomatik.

Wird Bellos Geräuschangst jedes Jahr schlimmer, sollte er unbedingt auf unerkannte Schmerzen hin untersucht werden. Hunde mit schmerzhaften Grunderkrankungen im Bewegungsapparat können Silvester durch eine angepasste Schmerzmedikation vor zusätzlichem Schmerz bewahrt werden.

Doch ganz gleich, ob die Geräuschangst psychisch bedingt oder physisch konditioniert wurde: Hundebesitzer tun ihrer Fellnase den größten Gefallen, wenn sie der Silvesterknallerei weiträumig ausweichen. Ein Mitternachts-Walk am Strand, ein Silvesterspaziergang durch die Feldmark oder an einem anderen stillen Ort, Sekt und Berliner im Rucksack und einen entspannten, angstfreien Hund an der Seite ist doch ein wunderschöner Jahresabschluss und ein vielversprechender Neubeginn.

Quelle

Fagundes/Hewison/McPeake/Zulch/Mills: Noise Sensitivities in Dogs: An Exploration of Signs in Dogs with and without Musculoskeletal Pain Using Qualitative Content Analysis (Frontiers in Veterinary Science, 13.Februar 2018) https://doi.org/10.3389/fvets.2018.00017

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