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Spürnasen: Hunde erschnüffeln COVID-19

Hundenasen können helfen, die Ausweitung der COVID-19-Pandemie zu bekämpfen. Dazu werden sie darauf trainiert, Infizierte anhand ihres Geruches zu erkennen. In Finnland und Dubai sind sie schon im Einsatz. In Deutschland prüft ein Forscherteam die Zuverlässigkeit der Hundenasen. Vor allem eine Frage steht angesichts der kommenden Grippe-Saison im Raum: Können Hunde SARS-CoV-2-Viren auch von anderen Viren sicher unterscheiden?

Kurzfassung:

Hunde erkennen COVID-19 am Geruch. Das haben inzwischen mehrere Studien weltweit bestätigt. Auch in Deutschland forscht ein Team in dieser Richtung. Einige Diensthunde der Bundeswehr wurden erfolgreich darauf trainiert, Proben infizierter Personen von solchen ohne COVID-19-Infektion zu unterscheiden. Die Ergebnisse der deutschen Forschergruppe attestieren den Hunden eine Erfolgsquote von 94 Prozent bei der Identifikation von Proben, die das unschädlich gemachte pandemische Corona-Virus enthalten. Jetzt wird weiter daran geforscht, ob und wie zuverlässig sie das infektiöse SARS-CoV-2 von anderen Viren unterscheiden können. Sollte die Zuverlässigkeit gewährleistet sein, steht dem Einsatz von COVID-19-Spürhunden auf Flughäfen und an Grenzen, bei Sportveranstaltungen und anderen Großversammlungen nichts mehr im Wege. In Helsinki und Dubai werden sie auf Flughäfen bereits eingesetzt, auch in Belgien, Frankreich, England und den USA wird daran gearbeitet.

(Lesezeit der Kurzfassung unter einer Minute)

Gut zu erkennen: Der Aufbau eines Gerätes zur Geruchskonditionierung (Foto: Bundeswehr/Alpers)

Bewährte Schnüffler

Hunde erkennen COVID-19 am Geruch. Das haben inzwischen mehrere Studien weltweit bestätigt. In einen Gemeinschaftsprojekt von Bundeswehr, Medizinischer Hochschule Hannover, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover trainiert ein deutsches Team Hunde ebenfalls erfolgreich darauf, SARS-CoV-2-Infektionen zu erschnüffeln. Dazu müssen die Hunde lernen, infizierte Proben von solchen ohne das Virus zu unterscheiden.

Die feine Nase von Hunden ist sprichwörtlich. Diabetiker-Warnhunde riechen die Unterzuckerung ihres Lieblingsmenschen, Leichenspürhunde erschnüffeln noch Meter unter der Wasseroberfläche liegende Tote, Brandmittelsuchhunde helfen bei der Überführung von Brandstiftern. Benzin in einer Menge von einem Millionstel Teelöffel entgeht ihrer Nase nicht. Das fanden Forscher der Universität Alberta (Kanada) 2020 heraus. Vermisste Menschen finden, Lawinenopfer, Sprengstoff, Drogen oder seltene Tier- und Pflanzenarten; als Diagnosehund Malariainfektionen anzeigen, Krebserkrankungen, Parkinson: Das Spektrum der Aufgaben für die Hundenase wächst rasant, auch im Bereich der Diagnostik. Hundenasen mit SARS-CoV-2 zu beschäftigen war also ein naheliegender Gedanke. 

Hunde sollen helfen, symptomfreie Träger zu erkennen

COVID-19-Labortests werden vor allem dann eingesetzt, wenn Menschen Symptome zeigen oder mit SARS-CoV-2-positiven Personen in Kontakt waren und Verdacht auf eine COVID-19-Infektion besteht. Doch Laborkapazitäten kommen irgendwann an ihre Grenzen und bis das Laborergebnis beim Empfänger ist, was einige Tage dauern kann, müssen auch Verdachtspatienten in Quarantäne, können Schulen, Kitas, Betriebe vorsorglich geschlossen und Schutzmaßnahmen verschärft werden. Menschen ohne Symptome bleiben meist unerkannt und können andere anstecken, ohne zu wissen, dass sie ansteckend sind. Wären Hunde also eine echte Option? Dazu müssen Antworten auf Fragen gefunden werden: Wie zuverlässig arbeiten trainierte Hundenasen? Erfassen sie auch asymptomatische und präsymptomatische Menschen? Können sie SARS-CoV-2 von anderen Viren unterscheiden?

Viren haben keinen eigenen Stoffwechsel und deshalb auch keinen Eigengeruch. Auch SARS-CoV-2 ist da keine Ausnahme. Was sich verändert, ist der Stoffwechsel infizierter Personen. Das beeinflusst den Geruch von Speichel, Schweiß und Urin, und diesen charakteristischen Geruch können Hunde in den Proben erkennen.

Bereits im Mai hatte ein Team um die Wissenschaftlerin Anna Hielm-Björkman an der Universität Helsinki die beiden Krebs-Diagnosehunde Kössi und Lucky in einer Pilotstudie erfolgreich darauf trainiert, das pandemische Corona-Virus im Urin Infizierter zu erschnüffeln. „Es war fantastisch, wie schnell die Hunde lernten, den neuen Geruch zu identifizieren“, erklärte die Studienleiterin seinerzeit bei Vorstellung der Ergebnisse. Denkbar sei die Diagnose per Nase beispielsweise in Altenheimen und Kindertagesstätten, um damit infizierte Personen von nicht infizierten schnell unterscheiden zu können. Dadurch könnten vollständige Schließungen von Einrichtungen vermieden werden, wagte die Universität Helsinki im Mai einen Blick in die Zukunft. Inzwischen werden an verschiedenen Einrichtungen in Europa und den USA Hunde zu diesem Zweck trainiert. In Dubai und Helsinki werden sie bereits an Flughäfen eingesetzt. In Deutschland überprüft das Team um den Direktor der Kleintierklinik an der Veterinärmedizinischen Hochschule Hannover, Professor Dr. Holger Volk, Kompetenz und Zuverlässigkeit der Hundenase in Sachen COVID-19. Stufe eins haben die Hunde mit Bravour gemeistert.

Der dreijährige Malinois Donnie wird für die Erkennung von SARS-CoV-2 ausgebildet (Quelle: Bundeswehr/Alpers)

So werden die Hunde ausgebildet: In einer Metallbox, der „Geruchskonditionierungsmaschine“, werden die Speichel- oder Schweißproben hinter Löchern befestigt. Der Hund wird an die Box geführt und schnüffelt an den Löchern. Ein Verhalten, auf das er zuvor mithilfe positiver Verstärkung trainiert wurde. Erkennt der Hund den Geruch, für den er ausgebildet wurde, bleibt er vor der Probe stehen und riecht länger daran. Dafür wird er bei richtigem Ergebnis belohnt. Je nach Vorliebe sind das Leckerlies oder ein Spielball.

Konditionierung auf das Virus

Zu Beginn der Ausbildung durchliefen die zehn Bundeswehr-Diensthunde – Spaniel, Retriever, Schäferhunde – ein zweiwöchiges Vortraining. In dieser Zeit wurden sie  mit dem Versuchsaufbau vertraut gemacht und lernten, was von ihnen erwartet wurde. Ganz neu war der Job allerdings nur für einen Junghund. Alle anderen Hunde arbeiteten schon vorher aktiv als Berufs-Schnüffler der Bundeswehr. Für den dreijährigen Malinois „Donnie“ ist es nach seiner Ausbildung zum Sprengstoff-Spürhund die zweite Ausbildung in Nasenarbeit.

Insgesamt 10.388 Proben mussten die Hunde zunächst zu Lernzwecken beschnüffeln, ánschließend erfolgte der eigentliche Test als Doppelblind-Studie. Doppelblind bedeutet, dass weder diejenigen, die das Testsetting vorbereiten, noch diejenigen, die mit den Hunden arbeiten, wissen, welche der Proben das unschädlich gemachte SARS-CoV-2 enthalten. Diese „Doppelverblindung“, ist wichtig, damit dem Hund keine ungewollten Hinweise gegeben werden, die ihn in seinem Urteil beeinflussen könnten. Hunde orientieren sich gern am Menschen, wenn sie vor einem Problem stehen, und der Mensch gibt manchmal unbewusst Hinweise zur Lösung.

Erfolgsquote der COVID-19-Schnüffler: 94 Prozent

Eine weitere Woche und 1012 Proben später hatten die Hunde gelernt, mittels Nasentest infizierte von nicht infizierten Proben zu unterscheiden. Das Ergebnis:

  • 157 korrekt positive Identifikationen des Virus
  • 792 richtig negative Identifikationen, also kein SARS-CoV-2 in der Probe
  • 33 falsch positive Identifikationen
  • 30 falsch negative Identifikation

Das war nicht hundertprozentig, aber mit einer Erfolgsquote von 94 Prozent sehr dicht dran und überzeugend. „Wir waren erstaunt, wie schnell unsere Hunde trainiert werden konnten, um Proben von SARS-CoV-1-Infizierten Personen zu erkennen“, kommentierte Dr. Esther Schalke wie zuvor die finnische Kollegin das Ergebnis. Die Tierärztin arbeitet als Verhaltensforscherin und Hundetrainerin an der Schule für Diensthundewesen der Bundeswehr in Ulmen und begleitet das Projekt.

Auch Labortests sind nicht zu hundert Prozent fehlerfrei. Zeitpunkt und Art der Probennahme haben einen Einfluss auf das Ergebnis: Zu Beginn einer Infektion sind meist nur im Rachenraum Viren nachweisbar, zwei Wochen nach Infektion dagegen oft nur im Lungensekret. Wer trotz negativem Test verdächtig erscheint, wird deshalb in zeitlichem Abstand noch einmal getestet. „Wir haben eine solide Grundlage für zukünftige Studien geschaffen, um zu untersuchen, was die Hunde riechen und ob sie auch zur Unterscheidung zwischen verschiedenen Krankheitszeitpunkten oder klinischen Phänotypen eingesetzt werden können“, so der Studienleiter und Leiter der Klinik für Kleintiere der Tiermedizinischen Hochschule in Hannover (TiHo), Professor Holger Volk, in einer Presseerklärung.

Auch die deutsche Studie gilt noch als Pilotstudie, deren Ergebnisse durch ergänzende Untersuchungen weiter abgesichert werden müssen. Vor allem muss in einem nächsten Schritt sichergestellt werden, dass die Hunde SARS-CoV-2 nicht mit anderen Viren verwechseln und dann falsch positiv als COVID-19 anzeigen. Aber das Ergebnis ist vielversprechend. Denkbar ist der Einsatz nicht nur an Flughäfen, sondern auch bei Großveranstaltungen und Sportevents, die dann wieder in größerem Umfang stattfinden könnten.

Probenspender gesucht

Für weiterführende Studien werden vom Team um Professor Volk noch Teilnehmer gesucht, die Proben zur Verfügung stellen:

  • mit SARS-CoV-2 infizierte Personen mit Symptomen
  • mit SARS-CoV-2 infizierte symptomfreie Personen
  • Personen mit anderen Atemwegserkrankungen wie beispielsweise Grippe, Bronchitis etc.

Wer die Studie unterstützen möchte, kann sich über die Internetseite der TiHo Hannover dazu anmelden.

Hier gibt es ein Informationsvideo der TiHo Hannover zur Studie.

Hier finden Sie die Originalstudie

Zur Studie über die feine Nase der Brandmittel-Suchhunde geht es hier

Das Bildmaterial wurde dem VdTT freundlicherweise von der Bundeswehr für diesen Artikel zur Verfügung gestellt.

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