Verhaltensstörungen bei Pferden
Aufgalopp – Was ist eine Verhaltensstörung?
Nicht jedes Pferd, das seinem Halter oder Reiter möglicherweise verhaltensgestört erscheint, ist dies auch. Wenn ein Pferd zum Beispiel scheut oder durchgeht, reagiert das Pferd nur seinem Wesen entsprechend auf Angst mit Flucht. Eine Verhaltensstörung ist dies nicht. Es liegt in der Natur der Pferde, stets fluchtbereit zu sein. Dieser Wesenzug allerdings kann für Mensch und Tier gefährlich sein, so dass es – vor allem, wenn diese Verhaltensweise nicht nur ausnahmsweise auftritt – im Interesse beider liegt, durch exakte Ursachenforschung das Problem zu lösen.
Möglicherweise sind körperliche Mängel wie zum Beispiel eingeschränkte Sehfähigkeit Ursache für häufiges Erschrecken. Auch Reiter- oder Ausbildungsfehler, Überforderung, ein nicht stabiles oder ganz fehlendes Vertrauensverhältnis zwischen Mensch und Tier sowie nicht artgerechte Haltungs- und Fütterungsbedingungen, die zum Beispiel mit Bewegungsmangel einhergehen, können Hintergrund des Scheuens oder Durchgehens sein. Weitere aus Sicht des Menschen unerwünschte Verhaltensweisen sind beispielsweise Abwehrreaktionen beim Führen, Putzen, Anbinden und Verladen oder auch Pullen, Scheuen, Bocken, Steigen, Sattelzwang oder Zackeln.
Bei echten Verhaltensstörungen handelt es sich dagegen um Verhaltensabläufe, die nicht Bestandteil des natürlichen Verhaltensrepertoires der Pferde sind, in freier Wildbahn also nicht beobachtet werden können, und in Hinblick auf Modalität, Intensität und Frequenz erheblich vom Normalverhalten abweichen. Dazu gehören zum Beispiel die Stereotypien Koppen und Weben. Auch stereotype Laufbewegungen, die quantitativ vom Ethogramm, der Darstellung der arttypischen Verhaltensweisen, abweichen oder „normale“ Verhaltensweisen, die aber in einem veränderten Kontext ausgeführt werden, wie etwa sexuelle Fehlprägungen fallen unter Verhaltensstörungen. Klinisch werden dabei symptomatische und eigenständige Verhaltensstörungen unterschieden. Im ersten Fall sind die Störungen Begleitsymptome oder Folge von Erkrankungen, im zweiten Fall sind die Störungen nicht auf infektiöse oder toxische Agenzien (krankmachende Stoffe), Verletzungen oder Organmissbildungen zurückzuführen, sondern auf psychische Belastungen. Dabei ist der Übergang zu neurologischen Erkrankungen allerdings wie beim Menschen fließend. Zu den Verhaltensstörungen zählen neben dem Koppen und Weben, Hyperaggressivität, Fehlprägung oder Automutilation (Autoaggression).
Die Unterscheidung zwischen unerwünschtem Verhalten und Verhaltensstörungen ist deshalb von Bedeutung, weil sich zum Teil die Genese (Disposition und Ursachen), die psychischen und physiologischen Auswirkungen, die Behandlungsmethoden und die Therapiechancen unterscheiden. Während viele Verhaltensstörungen residual-reaktiv sind, das heißt trotz Beseitigung der Mängel bestehen bleiben, lassen sich unerwünschte Verhaltensweisen in der Regel mit entsprechender Fachkenntnis korrigieren.
Haltung ist das A und O: Wann kommt es zu Verhaltensstörungen?
Heute ist ein Grossteil der Verhaltensstörungen zweifelsfrei auf nicht artgerechte Haltungsbedingungen zurückzuführen, die pferdespezifische Ansprüche nur unzureichend berücksichtigen. Das arttypische Verhalten des Pferdes hat sich im Rahmen der Evolution im Laufe vieler Millionen Jahre entwickelt und ist bis heute weitgehend unverändert geblieben. Dazu gehört zum Beispiel das Bedürfnis, täglich ca. 16 Stunden lang zu fressen, da ursächlich nur so der Bedarf an ausreichend Nährstoffen gedeckt werden könnte. Entsprechend den Bedingungen in der Steppe ging und geht die natürliche Nahrungsaufnahme beim Pferd in freier Wildbahn mit ständiger Fortbewegung, meist im Schritt, einher. Die dabei zurückgelegte Strecke liegt laut einer mit GPS –Technik an wildlebenden Pferden in Australien durchgeführten Untersuchung bei 30 Kilometern. Sicherheit und Schutz bot dabei dem einzelnen Pferd die Herde mit festgelegten Regeln, Rangordnungen und feinsten, schnellen Kommunikationsmitteln. Genetisch sind diese natürlichen Verhaltensweisen, Bedürfnisse und Strukturen im Pferd unverändert vorhanden, verändert aber hat sich die Umwelt des Pferdes. Heute müssen sich Pferde nicht mehr von Steppengras ernähren, sondern erhalten hochwertiges Weidegras, Kraftfuttermittel und Heu. Auf diese Weise ist der Nährstoffbedarf in kurzer Zeit gedeckt, während das Fressbedürfnis vor allem für Pferde, die nicht dauerhaft auf Weiden untergebracht sind, unbefriedigt bleibt. Bei der heute modernen und immer noch am häufigsten anzutreffenden Boxenhaltung kann das Pferd seinen natürlichen Drang, im Schutz der Herde Bewegung und Fressen zu kombinieren im wahrsten Sinne des Wortes nicht nachgehen. Fressen und Bewegung sind entkoppelt, die Pferde sind in den Boxen gezwungen, am Platz zu fressen. Bei dieser Boxenhaltung ist die Bewegungsmöglichkeit überhaupt auf ein Minimum heruntergefahren, besonders dann, wenn die Pferde mindestens 23 Stunden täglich in der Box verbleiben und maximal eine Stunde unter dem Reiter bewegt werden. Gleichzeitig ist ihnen im Boxenstall der beruhigende Schutz der Herde genommen, der Sicht-, Geruchs- und Hörkontakt zu Artgenossen ist stark eingeschränkt. Auch die modernsten Pferdeboxen können den komplexen kommunikativen Ansprüchen der Pferde nicht gerecht werden.
Die fehlende Möglichkeit die artursprünglichen und immer noch aktuellen Bedürfnisse und Verhaltensweisen ausleben zu können, bieten den idealen Nährboden für Verhaltensprobleme bzw. können Verhaltensstörungen auslösen.
Initialtrauma: Weitere Ursachen für Verhaltensstörungen
Tierärzte und Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass Stereotypien wie das Koppen oder das Weben zumindest mit einer erblichen Veranlagung einhergehen, das Pferd also diese genetische Disposition in sich trägt. Hoch im Blut stehende Pferde scheinen diese Veranlagung häufiger in sich zu tragen als Warm- und Kaltblüter oder Ponys. Auslöser von Stereotypien sind häufig Stresssituationen (Initialtrauma) wie zum Beispiel in der Fohlenzeit der – auch nur vorübergehende – Verlust der Mutter, zu frühes und abruptes Absetzen, psychische Überforderung jeglicher Art zum Beispiel in der Ausbildung, Stallwechsel, Wechsel der Haltungsbedingungen, längere Transporte, aber auch das Leben in einer für das Pferd nicht geeigneten Herde oder vorübergehende Isolation in Einsamkeit und Langeweile.
Hausgemacht: Erziehungs- und Ausbildungsfehler
Immer wieder ist zu beobachten, dass Pferdehalter durch laienhafte bzw. falsche Erziehung Gefahren für Tier und Mensch heraufbeschwören oder unerwünschtes Verhalten ihres Pferdes selbst hervorrufen und festigen. Grundsätzlich ist das Verhältnis zwischen Mensch und Pferd aus Sicht des Pferdes vermutlich sehr zwiespältig. Einerseits verhält sich der Mensch wie ein Artgenosse, indem er das Pferd etwa putzt und sich damit als Partner bei der sozialen Körperpflege positioniert, andererseits aber die natürlich Antwort des Pferdes ablehnt und zum Beispiel nicht toleriert, dabei selbst auch „beknabbert“ zu werden, wie es für ein Pferd normal wäre. Zudem verhält der Mensch sich zuweilen wie ein Angreifer, indem er mit „ständig angelegten“ Ohren auftritt oder sich auf den Rücken des Pferdes schwingt. Probleme ergeben sich auch aus dem Umstand, dass der Mensch sich ganz anderer Kommunikationsmittel bedient als das Pferd und häufig Schwierigkeiten hat, sich in die Sprache der Pferde einzufühlen. Dennoch sind Pferde ganz offensichtlich mehr als geneigt, den Menschen bei entsprechendem Vertrauensverhältnis als Sozialpartner zu akzeptieren. Gerade hierin aber verbergen sich angesichts des unterschiedlichen Kräfteverhältnisses auch enorme Gefahren, dann nämlich, wenn für das Pferd nicht klar ist, dass der Mensch als Ranghöherer die Regeln des Umgangs bestimmt oder das Pferd im Rahmen dieses Verhältnisses die Rangordnung zu seinen Gunsten zu verändern versucht. Es muss immer klar sein, dass der Mensch das „Leittier“ ist, Geschehen und Tempo bestimmt.
Leittiere wieder sind weder ängstliche Typen noch kraftstrotzende Rowdys, sondern ruhig und besonnen agierende Wesen, die sich den Respekt und das Vertrauen der Herde erworben haben und konsequent, aber fair mit den Herdenmitgliedern umgehen. Diese Ansprüche muss daher auch der Mensch an sich stellen.
Eine wesentliche Voraussetzung für richtigen Umgang mit dem Pferd ist auch die Kenntnis, wie Pferde lernen. Zu kognitivem Lernen sind sie nur ausnahmsweise in der Lage. Sie lernen vor allem durch Gewöhnung, operative und klassische Konditionierung, Nachahmung und Prägung. Dementsprechend können Pferde in der Regel keine Ereignisse verknüpfen, die zeitlich auseinanderliegen. Lob oder Strafe müssen unmittelbar mit der Aktion verknüpft sein, die der Mensch positiv oder negativ bewertet. Wichtig ist zudem das „Richtig gemacht“ zu belohnen und nicht nur Strafe wegzulassen, wenn eine Aufgabe vom Pferd gut gelöst wurde. Nur durch Lob kann das Pferd verstehen, was man von ihm möchte, nur durch Lob wird die Motivation gestärkt und die Pferd-Mensch-Beziehung positiv empfunden. Von Bedeutung für die Lernprozesse ist zudem, dass sich Pferde – wie auch der Mensch – nur eine gewisse Zeit konzentrieren können. Diese ist individuell unterschiedlich und hängt unter anderem vom Alter und Charakter ab. Erfahrungsgemäß können sich junge Pferde maximal 10, erwachsene Pferde maximal 20 Minuten am Stück konzentrieren.
Reiter und Pferd – die häufigsten Missverständnisse
Als über die Evolution in seiner Struktur und Natur erfahrenes Herdentier weiß das Pferd in der Regel besser als der Mensch Bescheid, wie man zusammenarbeitet und wie man miteinander auskommt. Pferde sind normalerweise keine dominanten oder aggressiven Lebewesen, die ständig darum kämpfen wollen, in der Hierarchie aufzusteigen. Von wenigen Ausnahmen ausgenommen fühlen sich am wohlsten und am sichersten, wenn sie klar gefasste Regeln haben, nach denen sie leben können, und wenn sie eine deutliche, zuverlässige und vertrauenswürdige Führung haben. Das gilt besonders für junge und ängstliche Pferde. Die Bereitwilligkeit zur Zusammenarbeit sollte jede Reiterin und jeder Reiter grundsätzlich im Kopf haben und nicht bei schon leichtesten Unstimmigkeiten davon ausgehen, dass das Pferd sich absichtlich widersetzt, die Rangordnung in Frage stellen will oder sich dumm anstellt. Die Verantwortung für Missverständnisse, Unstimmigkeiten und Verhaltensprobleme liegt meist beim Menschen. Beispiele:
- Das Buckeln des Pferdes kann Ausdruck für Schmerz durch den Reiter oder die Ausrüstung, Erschrecken oder Widersetzlichkeit sein, in den meisten Fällen aber ist es zunächst nichts weiter als ein „pferdischer“ Ausdruck für Lebensfreude oder für Bewegungsmangel. Dies nicht erkennend reagieren die meisten Reiter nicht gelassen, indem sie das Buckeln aussitzen und ruhig korrigieren, sondern greifen sofort zu harten Maßnahmen etwa mit der Zügelhand oder der Gerte, die wiederum beim Pferd zu Verspannung und Gegenauflehnung führen und das aktuelle Problem zu einem dauerhaften machen können.
- Wer ein feinfühliges Pferd möchte, muss selbst sensibel agieren. Die meisten Reiterinnen und Reiter aber tun sich mit einer feinfühligen Handeinwirkung schwer. Im Wissen darum reiten vor allem viele Anfänger mit extrem langem Zügel, ohne dies auch nur ansatzweise über die anderen Hilfen ausgleichen zu können, und glauben, dem Pferd damit Gutes zu tun und es „nicht zu stören“. Tatsächlich aber fehlt dem Pferd so jede Orientierung und die Sprache des Reiters wird für das Pferd unverständlich und diffus, so dass es unweigerlich zu Missverständnissen kommt. Das Gegenteil, die zu harte Handeinwirkung, bewirkt Gegendruck und kann unerwünschte Verhaltensweisen und Abwehrmaßnahmen des Pferdes wie Steigen, Pullen oder Buckeln hervorrufen. Auch das Headshaking ist zuweilen ursächlich auf eine harte Hand des Reiters zurückzuführen.
- Die Sensibilität des Pferdes ist enorm und dementsprechend auch seine Fähigkeit, selbst kleinste Körperverspannungen des Reiters auf seinem Rücken wahrzunehmen. Nur so ist es möglich, dass feinste Signale eines Reiters, die für das menschliche Auge nicht sichtbar sind, vom Pferd in Aktionen wie Piaffen und Traversalen umgesetzt werden. So ist aber auch erklärlich, dass ungewollte Muskelanspannungen des Reiters, die er selbst vielleicht nicht einmal wahrnimmt, vom Pferd umgesetzt und dann vom unsensiblen Reiter abgestraft werden. Missverständnisse dieser Art beruhen dann schlicht auf der unterschiedlichen Sensibilität und Körperwahrnehmung.
Ventilfunktion oder Schädigung: Können psychische Probleme bzw. Verhaltensstörungen Erkrankungen auslösen?
Einige Verhaltensstörungen haben für das Pferd durchaus eine positive Wirkung, indem sie eine Bewältigungsstrategie oder Ventilfunktion darstellen, die dem Pferd hilft, mit Umweltbedingungen fertig zu werden, die sein Anpassungsvermögen überfordern. Laut einer Umfrage unter den Mitgliedern der britischen National Racehorse Trainers` Federation sind Galopprennpferde mit Stereotypien (Koppen, Weben, Boxenlaufen und Holzkauen) weder häufiger krank noch weniger leistungsfähig als Pferde ohne stereotype Verhaltensstörungen. Dies bestätigt auch eine an der Universitätstierklinik Zürich durchgeführte Untersuchung, laut der nur 7 Prozent der dort operierten Kopper vorher unter Gesundheitsproblemen wie rezidivierender (in Abständen wiederkehrender) Kolik oder Abmagerung litten. Dennoch kann im Einzelfall durchaus ein Zusammenhang zwischen einer Verhaltensstörung und gesundheitlichen Problemen bestehen. So weisen Aufsetzkopper zum Beispiel nach Jahren einen erheblichen Abrieb der Zähne auf. Stereotypes, exzessives Scharren wiederum kann bei einigen Pferden in Extremfällen zu Infektionen im Hufbereich oder bei mangelnder Korrektur über Fehlstellungen auch zu sekundären orthopädischen Schäden führen. Auch bei Automutilationsverhalten (Autoaggression) können erhebliche Schäden als Folge auftreten, dann etwa, wenn es zu Infektionen der durch das Pferd selbst verletzten Bereiche kommt. Stereotypien wie das Koppen können zu Veränderungen der Neurotransmittersysteme (Botenstoffe) im Gehirn führen, womit eine Erkrankung eines Organs vorliegt. Dadurch treten Stereotypien auch dann noch auf, wenn die Ursachen längst beseitigt sind. Dies unterstreicht, dass eine Verhaltensstörung wie jede andere Erkrankung eine sorgsame, fachgerechte und umfassende Behandlung erfordert.
Auf der Vorhand kehrt: Wann braucht man die professionelle Hilfe eines Pferdepsychologen oder -ethologen?
Vorbeugen ist besser als heilen: Vor allem im Umgang mit Pferden noch unerfahrene Menschen sollten sich anfangs von Fachleuten wie Pferdepsychologen oder -ethologen begleiten lassen, um sicher die Psyche des Pferdes, seine Ausdrucksformen und seine Bedürfnisse verstehen zu lernen und mit stabilen Grundkenntnissen eine sichere Vertrauensbasis zwischen sich und dem Pferd aufbauen zu können.
Spätestens dann aber, wenn sich unerwünschtes Verhalten zu festigen scheint oder der Verdacht besteht, dass sich eine Verhaltensstörungen zu manifestieren beginnt, sollte Fachleute um Hilfe gebeten werden. Je früher fachgerecht gegengesteuert wird, desto besser sind die „Heilungschancen“.
Ob unerwünschtes Verhalten oder Verhaltensstörung – eine genaue ganzheitliche Diagnose ist immer Voraussetzung für eine erfolgreiche Verhaltenstherapie. Hierfür sind eine gründliche Anamnese, eine allgemeine Untersuchung des Gesundheitsstatus und ein möglichst genaues Bild des Verhaltensproblems nötig. Dies bedeutet, dass Tierarzt, Therapeut und Halter eng und vertrauensvoll miteinander agieren müssen. Dies gilt nicht nur bezüglich der Diagnose, sondern auch für die Durchführung der Therapie.
Je nach Fall und Pferd werden die Fachleute unterschiedliche Therapien empfehlen. Insbesondere bei der Behandlung unerwünschter Verhaltensweisen kommt häufig die Lerntherapie zum Einsatz, die auf dem natürlichen Lernverhalten der Pferde basiert. Bei der Gegenkonditionierung wird eine unerwünschte Verhaltensweise durch den Aufbau einer erwünschten Verhaltensweise allmählich abgebaut. Sie lässt sich gut bei Ängsten, Phobien, Rangordnungsproblemen oder erlerntem Verhalten anwenden. Die Desensibilisierung stellt eine allmähliche Gewöhnung an einen Reiz in Verbindung mit einer Gegenkonditionierung dar. Ein belastender Reiz wird zunächst in stark abgeschwächter Intensität dargeboten und dann allmählich gesteigert. Die Desensibilisierung ist der Methode der Reizüberflutung, die ebenfalls bei Ängsten und Phobien eingesetzt werden kann, vorzuziehen, da letztgenannte für Mensch und Tier überaus gefährlich werden kann, wenn es zu Panikreaktionen des Pferdes kommt. Gänzlich abzulehnen sind Zwangsmaßnahmen, insbesondere dann wenn sie nur die Symptome behandeln wie etwa der Kopperriemen oder pendelnde Sandsäcke bei Webern. In Zusammenarbeit mit einem Tierarzt kann in einigen Fällen zeitweise auch die Gabe von Medikamente unterstützend hilfreich sein.
Jede Verhaltensstörung und jedes Problem zwischen Mensch und Pferd hat seine Entstehungsgeschichte. So lang wie das Entstehen und der Werdegang eines Problems, so lange dauert in der Regel auch die Lösung. Geduld, Aufmerksamkeit und genaue Beobachtung des Pferdes sind in der Regel die wichtigsten Zauberworte der Lösung. Sie bietet die Chance, dem Pferd näher zu kommen und dazuzulernen, vielleicht zu lernen, nicht nur zu sehen und zu hören wie ein Pferd, sondern auch so zu fühlen.
Autorin
Gaby Hermsdorf
Seit 1985 arbeitet die Sport und Sozialkundelehrerin Gaby Hermsdorf als Fachjournalistin und Buchautorin, seit 1997 mit dem Philippe Verlag auch als Verlegerin für Pferdebücher. Zu den von ihr geschriebenen Buchtiteln gehören z. B. „Zu Pferd durch Lappland“ und „Frauen zu Pferde“. 1996 gründete sie ein Altenheim für Pferde, in dem sie den Bedürfnissen der Pferde nach ganzjährig freiem Leben auf großen Weiden entspricht.